Samstag, 15. April 2023

Stuttgart 21 und Biodiversität: Haben die BW-Grünen ihren Zenit überschritten?

Das ungeschickte Agieren von Landesverkehrsminister Hermann in Sachen Stuttgart 21 bringt viele Menschen dazu, das politische Handeln der BW-Grünen auch in anderen Politikbereichen kritischer zu sehen.

Wir sehen uns heute die Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung an und im Besonderen das Zwei-Prozent-Ziel an Wildnisfläche, das für Deutschland bis zum Jahr 2020 anvisiert wurde. Wurde und wird es in BW umgesetzt?

Gehen wir aber zuerst ganz kurz noch einmal zurück zu Stuttgart 21. Im Koalitionsvertrag für die aktuelle Legislatur ist ein Ergänzungsbahnhof zum Stuttgart 21-Hauptbahnhof vorgesehen. Dieser Ergänzungsbahnhof hat viele Aufgaben. Er soll als Ausweichbahnhof für die S-Bahn bei Störungen dienen. Er soll zusätzliche S-Bahnzüge und -linien aufnehmen, insbesondere Express-S-Bahnlinien. Er soll weitere Züge aufnehmen, die im nur achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof keinen Platz mehr haben. Und er soll den Deutschlandtakt ermöglichen, weil zu den zukünftigen 00er- und 30er-Rendezvous´ der Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof mehr als die acht Bahnsteiggleise des Stuttgart 21-Tiefbahnhofs benötigt werden.

Die Landes-CDU hat dem Ergänzungsbahnhof zugestimmt. Und das ist das eigentlich Sensationelle an der ganzen Sache. Jetzt sind es nicht mehr nur die Grünen, die Ergänzungen zu Stuttgart 21 fordern, sondern eine weitere wichtige Partei. Damit wäre es möglich gewesen, Stuttgart 21 doch noch zu einem guten Ende zu bringen, das eine breite gesellschaftliche Mehrheit beinhaltet.

 

Ohne Not hat Hermann jetzt einen 180 Grad-Schwenk vollzogen und den Ergänzungsbahnhof storniert. Damit hat er es mit der Landes-CDU verscherzt. Wie soll unter diesen Umständen die CDU jemals noch für Ergänzungen zu Stuttgart 21 gewonnen werden? Da wurde ein großer politischer Kolateralschaden angerichtet. Auch fachlich ist das von Hermann jetzt anvisierte Tangentendreieck Quatsch. Es erfüllt keine einzige der oben genannten Aufgaben so, wie sie der Ergänzungsbahnhof übernehmen soll.

Die Biodiversitätskrise und die Bedeutung von Wildnis
Kommen wir jetzt zur Biodiversität. Das ist ja neben der Klimakrise das zweite ganz wichtige Thema unserer Zeit. Im Jahr 2007 hat die Bundesregierung (Große Koalition aus CDU und SPD) eine Biodiversitätsstrategie beschlossen. Teil dieser Biodiversitätsstrategie ist, dass bis zum Jahr 2020 zwei Prozent der Landfläche Deutschlands Wildnis werden soll. Da gibt es also seit längerer Zeit bereits ein Zwei-Prozent-Ziel, das älter ist als das jetzt neue Zwei-Prozent-Ziel an Landesfläche für Windkraftanlagen. Beide Zwei-Prozent-Ziele schließen sich nicht gegenseitig aus. Leider wird zur Zeit jedoch hauptsächlich das Zwei-Prozent-Ziel in Zusammenhang mit der Windkraft in der Öffentlichkeit diskutiert. 
 
Der Beschluss für die Wildnisflächen geht davon aus, dass zum Erhalt der Biodiversität die Wildnis unabdingbar ist. Denn viele Tier- und Planzenarten haben in der Kulturlandschaft keinen Platz und sind auf Wildnis angewiesen (bei anderen Tier- und Pflanzenarten ist es genau anders herum).
 
In den Ausführungsbestimmungen ist enthalten, dass die auszuweisenden Wildnisflächen eine Mindestgröße von 1.000 Hektar haben müssen. Bei Mooren, Auen und Küsten sind 500 Hektar ausreichend. Das ist keine willkürliche Feststellung. Fachleute gehen davon aus, dass nur bei bestimmten Mindestgrößen an Wildnisflächen die zu schützenden Arten eine Überlebenschance haben. Diese Mindestgröße bei den Flächen erschwert die Ausweisung von Wildnisflächen in Deutschland.
 
Wildnisflächen müssen von den Bundesländern ausgewiesen werden
Die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie und der Ausweisung von Wildnisflächen ist Sache der Bundesländer. Und hier sieht es nicht besonders gut aus.
 
Aber immerhin gibt es Bundesländer, die die Umsetzung des Zwei-Prozent-Wildnisziels angenommen haben und vorankommen wollen. So hat vor noch nicht allzu langer Zeit das Bundesland Brandenburg eine Mitteilung veröffentlich, wonach man inzwischen bei einem Wildnisanteil von einem Prozent angekommen sei. Das Erreichen des zwei Prozent-Ziels werde man weiter anstreben.
 
In BW sieht es in Sachen Wildnis und Biodiverstitätstrategie nicht gut aus
Was macht nun Baden-Württemberg mit der Biodiversitätsstrategie und der Umsetzung des Zwei-Prozent-Wildnisziels? Immerhin ist BW ja das einzige Bundesland mit einem Grünen Ministerpräsidenten.
 
Es sieht nicht gut aus in BW. Das Zwei-Prozent-Wildnisziel ist hier kein Thema, weder im Koalitionsvertrag noch beim zuständigen Fachministerium. Hier sollten eigentlich verschiedene NGOs mehr Druck auf die Landesregierung ausüben.
 
Das Zwei-Prozent-Wildnisziel muss Thema werden. Das zuständige Ministerium muss die Öffentlichkeit in Sachen Zwei-Prozent-Wildnisziel regelmäßig auf dem Laufenden halten. Wie groß ist die Landesfläche von BW? Wieviele km² sind als Folge des Zwei-Prozent-Wildnisziels als Wildnis auszuweisen? Wieviele km² sind bereits Wildnis (z.B. Nationalpark, verschiedene große Naturschutzgebiete)? Welche weiteren Wildnisgebiete stehen wann zur Gründung an?
 
Fazit
Ob Stuttgart 21 oder Zwei-Prozent-Wildnisziel oder viele andere Themen: Die BW-Grünen enttäuschen mehr und mehr. Die individuellle Entscheidung, die Grünen weiterhin zu wählen oder nicht, geht mich selbstverständlich nichts an.         

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