Mittwoch, 1. Februar 2023

Das Land Baden-Württemberg muss die Regie in Sachen "Zukunft Gäubahn" übernehmen

Die aktuell nicht zufriedenstellende Entwicklung bei der Gäubahn Stuttgart - Singen (Hohentwiel) ist auch Fehlern geschuldet, die das Land Baden-Württemberg gemacht hat und macht.

Es ist dringend erforderlich, dass das Land BW diese Fehler abstellt und zum Hauptregisseur in Sachen "Zukunft Gäubahn" wird.

Ausgangslage Nr. 1
Bei einem Vergleich der internationalen Strecken Zürich - München und Zürich - Stuttgart fällt auf, dass in Sachen Fernverkehr dort massive Unterschiede bestehen.
 
So wird im deutschen Abschnitt der Strecke von Zürich nach München ein eigenwirtschaftlicher Fernverkehr betrieben. Im Gegensatz dazu gibt es im deutschen Abschnitt der Strecke von Zürich nach Stuttgart einen "eigenwirtschaftlichen" Fernverkehr nur dank massiver Zuschüsse des Landes BW. Alle Fernzüge haben zwischen Singen (Hohentwiel) und Stuttgart auch eine Regionalverkehrsnummer. Das Land bezuschusst hier den Fernverkehr der Bahn. Die Fernzüge sind auf diesem Abschnitt auch für Fahrgäste mit Regionalverkehrsfahrscheinen zugänglich.
 
Ausgangslage Nr. 2
Wenn man das Echo in den Medien verfolgt, scheint in Sachen "Zukunft Gäubahn" der Interessenverband Gäu-Neckar-Bodenseebahn die Hosen anzuhaben. Das Land BW kommt nur am Rande vor. Dabei ist der Interessenverband Gäu-Neckar-Bodenseebahn keinerlei offizielle Institution. Seine Meinung hat nicht mehr und nicht weniger Gewicht als die eines jeden Bürgers oder einer jeden Bürgerin in Baden-Württemberg.

Auch die Bürgermeister der an der Gäubahn liegenden Städte sind nicht die Institution, die für die Gäubahn zuständig ist. Gerne dürfen sie sich zur Gäubahn äußern. Die Medienberichte erwecken jedoch vielfach den Eindruck, dass etwa eine Zustimmung der Bürgermeister zum S-Bahnbetrieb im Verlauf der Gäubahn bereits das Go ahead für diesen Vorschlag bildet.
 
Nur ganz am Rande kommt das Land BW in Sachen Gäubahn in den Medien vor, etwa beim vom Land angekündigten Metropolexpress Horb - S-Vaihingen - Stuttgart. 
 
Die Gäubahn ist in erster Linie eine Regionalverkehrsstrecke in der Obhut des Landes 
Das kann so nicht weitergehen. Die Strecke Stuttgart - Singen (Hohentwiel) mag beim Bund als Fernverkehrsstrecke gelistet sein und bei der EU ein Bestandteil der transeuropäischen Netze sein. Das ist aber ohne konkreten Belang für den Fernverkehr, denn die Eisenbahnunternehmen entscheiden in Deutschland eigenverantwortlich, ob sie eigenwirtschaftlichen Fernverkehr anbieten. Von daher ist die Strecke Stuttgart - Singen (Hohentwiel) eine eigentliche Regionalverkehrsstrecke, sowohl für den langsamen Regionalverkehr (Metropolexpress, Ringzug, Seehas) als auch für den schnellen Regionalverkehr (Express Konstanz - Stuttgart).
 
Wenn die Gäubahn Stuttgart - Singen (Hohentwiel) keine eigentliche, potenzielle Regionalverkehrsstrecke ist, dann muss man sich fragen, welche andere Strecke in BW dann noch eine Regionalverkehrsstrecke ist. Für den Regionalverkehr der Eisenbahn ist aber das Land zuständig. Damit hat das Land bei der Gäubahn Stuttgart - Singen (Hohentwiel) die Hosen an.
 
Das Land BW muss bei der Gäubahn die Federführung übernehmen
Es besteht die Vermutung. dass die ärgerliche Planung für den Pfaffensteigtunnel (Böblingen - Flughafen) sowie die noch ärgerlichere Kappung der Gäubahn vor dem Stuttgarter Hauptbahnhhof zu einem wesentlichen Teil auf die oben beschriebenen Besonderheiten beim Gäubahn-Fernverkehr zurückzuführen ist.
 
In der Raumschaft entlang der Gäubahn und bei der Bundesregierung denkt man wohl, dass im Verlauf der Gäubahn eigenwirtschaftlicher Fernverkehr stattfindet und dass deshalb die Bahn und das Bundesverkehrsministerium bei der Gäubahn den Hut aufhaben. Es kommt noch hinzu, dass die Bahn für das Projekt Stuttgart 21 zuständig ist und gleichzeitig den vom Land bezuschussten Fernverkehr auf der Gäubahn betreibt.
 
Die These lautet nun, dass es ohne die massiven Zuschüsse des Landes zwischen Singen (Hohentwiel) und Stuttgart keinen Fernverkehr der Bahn mehr gäbe. Das aber ist keine Katastrophe, sondern eine Chance. 
 
Das Land BW sollte die Zuschüsse für den Fernverkehr der Bahn zwischen Singen (Hohentwiel) und Stuttgart stornieren. Statt dessen sollte das Land den halbstündlichen Metropolexpress zwischen Horb und Stuttgart sowie den stündlich verkehrenden schnellen Regionalverkehr zwischen Konstanz und Stuttgart finanzieren. Dazu kommt noch eine Anbindung von Freudenstadt und Nagold an Stuttgart. 
 
Wenn darüber hinaus Bahnunternehmen einen eigenwirtschaftlichen Fernverkehr zwischen Singen (Hohentwiel) und Stuttgart betreiben wollen, können sie sich gerne melden. Dann wird man das selbstverständlich bei den Ausbauplänen für die Gäubahn berücksichtigen. Da sind ja viele Varianten denkbar von einzelnen Nachtzügen bis zu ICE-Sprintern viermal am Tag Stuttgart - Zürich. Selbstverständlich sind auch noch die Anforderungen aus dem Güterverkehr zu berücksichtigen.
 
Damit aber ist der Weg frei für einen sinnvollen und fahrgastgerechten Ausbau der Gäubahn. Das Land bestimmt dann, welcher Streckenausbau für die Zugbestellungen des Landes erforderlich ist. Das aber ist bestimmt nicht der Pfaffensteigtunnel!
 
Das Land bestellt die Züge und die Takte und bestimmt die Ausbaumaßnahmen
Hier sind die Ausbaumaßnahmen im Verlauf der Gäubahn für die vom Land zu bestellenden Züge (Metropolexpress Stuttgart - Horb halbstündlich und schneller Regionalzug Konstanz - Stuttgart stündlich sowie Anbindung Freudenstadt/Nagold stündlich):*
  • Drittes Gleis Böblingen - Herrenberg (zusammen mit dem Verband Region Stuttgart)
  • Weitere Doppelspurinseln zwischen Horb und Tuttlingen (zusammen mit dem Zweckverband Verkehrsverbund Schwarzwald-Baar-Heuberg)
  • Ergänzungsbahnhof im Stuttgarter Hauptbahnhof
  • Zulauf von der Panoramastrecke (beim Nordbahnhof) zum Ergänzungsbahnhof Stuttgart Hauptbahnhof
  • Wahlweise Sanierung, Erweiterung oder Neubau des Kriegsbergtunnels
  • Wahlweise Sanierung, Erweiterung oder Neubau des Hasenbergtunnels
*Dies ist nur die erste Stufe. Es ist zu erwarten, dass die vom Land zu bestellenden Verkehrsleistungen so gut angenommen werden, dass bald weitere Züge bestellt werden müssen, Takte verdichtet werden müssen und weitere Ausbaumaßnahmen erforderlich werden.       

Bei den oben genannten Investitionsmaßnahmen muss jeweils entschieden werden, ob das der Bund finanziert oder ob dies das Land mit Mitteln aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz finanziert.

Noch wenige Schlusssätze zum Pfaffensteigtunnel
Es ist unwahrscheinlich, dass Verkehrspolitiker des Bundes, die nicht zufällig aus der Region Stuttgart stammen, bei der im Jahr 2026 anstehenden Entscheidung über eine Aufnahme des Pfaffensteigtunnels in die Bundesinvestitionspläne für diesen Tunnel votieren werden. Denn durch diesen dann längsten Eisenbahntunnel Deutschlands würden nur ganz wenige oder sogar gar keine Züge fahren, wenn man annimmt, dass die vom Land zu bestellenden Züge (mindestens die Metropolexpresszüge) über Stuttgart-Vaihingen fahren werden. Da gibt es in ganz Deutschland doch Dutzende von Investitionsvorhaben der Bahn, die ungleich wichtiger sind als der Pfaffensteigtunnel. Das sollte den Bundespolitikern bewusst sein bzw. bewusst gemacht werden. 

 

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