Widersprüche und Ungereimtheiten bei Express-S-Bahn- und Metropolexpress-Diskussion Stuttgart-Calw

Gemäß einem Zeitungsbericht vom 19.02.2022 plädieren der Verband Region Stuttgart (VRS) sowie auch das Landesverkehrsministerium für eine Express-S-Bahn Stuttgart-Calw an Stelle eines Metropolexpress (MEX).

In der im Bericht dokumentierten Argumentation seitens des VRS und auch seitens des Landesverkehrsministeriums gibt es Widersprüche und Ungereimtheiten, die so nicht stehen bleiben können. Wir sehen uns das Ganze heute mal an.

Der MEX entlastet die S6

Der VRS argumentiert, dass ein MEX Stuttgart-Calw keine Entlastung für die S-Bahnlinie S6 Stuttgart - Weil der Stadt bringt - im Gegensatz zu einer Express-S-Bahn. Diese Argumentation ist falsch.

 

Wo hält eigentlich ein MEX? Mir ist nicht bekannt, ob das Landesverkehrsministerium dafür bereits allgemeine Regeln aufgestellt hat. Das machen wir im Folgenden einfach selbst.

 

Der MEX hält:

am Stuttgarter Hauptbahnhof

an den Endpunkten des S-Bahnnetzes

außerhalb des S-Bahnnetzes an allen Bahnhöfen

an den Bahnhöfen mit Streckenverzweigung

in den Kreisstädten und ehemaligen Kreisstädten.

 

Das bedeutet dann für den MEX Calw-Stuttgart:

Dieser Zug hält in Calw (Endpunkt)

zwischen Calw und Weil der Stadt an allen Bahnhöfen

in Weil der Stadt (Endpunkt des S-Bahnnetzes)

in Renningen (Streckenverzweigung)

in Leonberg (ehemalige Kreisstadt)

in Zuffenhausen (Streckenverzweigung)

im Hauptbahnhof.

 

Ein solcher MEX Calw-Stuttgart entlastet sehr wohl die S-Bahnlinie S6. Es wird sogar eine große Entlastung geben.

 

Die Bahnsteighöhen

Für die S-Bahn ist eine Bahnsteighöhe von 95 cm erforderlich. Der MEX braucht eine Bahnsteighöhe von 75 cm. Für eine Express-S-Bahn Calw-Stuttgart müssten somit alle Bahnsteige zwischen Calw und Weil der Stadt auf eine Höhe von 95 cm gebracht werden, eine teure Angelegenheit. Für den MEX müssten in den Bahnhöfen Weil der Stadt, Renningen, Leonberg und Zuffenhausen zusätzlich zu den 95 cm-Bahnsteigen der S-Bahn noch 75 cm-Bahnsteige gebaut werden. Dafür dürfte der Platz vorhanden sein. Das Ganze ist leistbar. Die Bahnsteige zwischen Calw und Weil der Stadt können dann bei einer Höhe von 75 cm verbleiben.

 

Weder MEX noch Express-S-Bahn können auf der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn fahren

Der VRS argumentiert, dass der MEX Calw-Stuttgart nicht auf der S-Bahnstammstrecke fahren kann. Der VRS nimmt dagegen an, dass eine Express-S-Bahn Calw-Stuttgart sehr wohl auf der Stammstrecke der S-Bahn fahren kann. Das ist Unsinn. Weder eine Express-S-Bahn noch ein MEX können zusätzlich auf der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn fahren. Mit einer Zugfolge von 2,5 Minuten pro Gleis ist die Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn bereits heute ausgelastet bzw. überlastet. Das neue Signalsystem ETCS ist keine Garantie für eine zukünftig noch dichtere Taktfolge. Sollten mit Hilfe des ETCS ein paar Sekunden tatsächlich zu beschleunigen sein, müsste dies ausschließlich zum Verspätungsabbau genutzt werden, nicht aber zu einer Taktverdichtung. 

 

Die Verantwortlichen für die anderen großen S-Bahnnetze in Deutschland scheinen dies bereits verstanden zu haben. Nirgendwo soll es im Verlauf einer S-Bahnstammstrecke eine weitere Taktverdichtung geben. Im Gegenteil wird sogar zum Teil eine Taktausdünnung angestrebt.

 

Bei dieser Diskussion seitens des VRS erhält man den Eindruck, dass der VRS partout den Bau einer Ergänzungsstation beim Stuttgarter Hauptbahnhof verhindern will. Der VRS gehörte von Anfang an zu den hefttigsten Befürwortern von Stuttgart 21. Bis heute hat man den Eindruck, dass der VRS nicht nur an Stuttgart 21 bedingungslos festhält, sondern darüber hinaus auch jede Anpassung des Projekts an neuere Entwicklungen ablehnt. 

 

Weder MEX noch Express-S-Bahn können zusätzlich auf der S-Bahnstrecke Zuffenhausen-Hauptbahnhof fahren

Zwischen Zuffenhausen und Hauptbahnhof fährt die S-Bahn heute alle fünf Minuten pro Gleis. Zwischen Zuffenhausen und Hauptbahnhof liegen noch die S-Bahnhaltepunkte Feuerbach, Nordbahnhof und Mittnachtstraße. Niemals kann auf einer Strecke, die von der S-Bahn alle fünf Minuten befahren wird und in deren Verlauf es drei Zwischenstationen gibt, noch ein schneller Zug fahren (sei es Express-S-Bahn oder MEX), der an diesen drei Zwischenstationen nicht hält.

 

Die Kreuzung in Zuffenhausen ist ein Problem, das gelöst werden muss

Der VRS argumentiert, dass ein MEX Calw-Stuttgart in Zuffenhausen höhengleiche Gleiskreuzungen aufweist, um auf die Gleise des Regionalverkehrs zu kommen. Das ist richtig. Das trifft aber auch auf die Express-S-Bahn zu. Denn weder der MEX noch die Express-S-Bahn können ab Zuffenhausen auf den Gleisen der S-Bahn zu Hauptbahnhof fahren.

 

Das Kreuzungsproblem in Zuffenhausen muss gelöst werden. Hierzu muss man sich zunächst mal darüber klar werden, wie das fünfte und sechste Gleis der Zufahrt Zuffenhausen (Nordzulauf) verlegt werden soll. Soll dies mit dem Nordzulauftunnel geschehen, der möglicherweise erst in 20 Jahren fertig wird? Oder soll dies mit der Verlegung eines fünften und sechsten Gleises neben die bestehenden Gleise geschehen? Erst wenn dies klar ist, kann man mit der Planung der Einfädelung des MEX von Calw beginnen.

 

Der MEX kann sehr wohl auf einer S-Bahnstrecke fahren

Bernhard Maier (Freie Wähler) wird so zitiert, dass wegen der dichten Taktfolge der S-Bahn ein MEX zwischen Weil der Stadt und Zuffenhausen gar nicht möglich ist. Das ist absolut falsch.

 

Auf den Strecken Waiblingen-Backnang, Waiblingen-Schorndorf und Bad Cannstatt-Plochingen gibt es seit Jahrzehnten diese Situation, dass zusätzlich zum 15-Minuten-Takt der S-Bahn noch zwei schnelle Züge pro Stunde auf demselben Gleis fahren. Nach den ursprünglichen Plänen von Stuttgart 21, die immer noch nicht offiziell storniert worden sind, wäre das sogar in noch schlimmerer Form zwischen Flughafen und Rohr geplant.

 

Wachsamkeit ist angesagt

Als Fazit wäre festzuhalten, dass die Bevölkerung entlang der Württembergischen Schwarzwaldbahn zwischen Calw und Zuffenhausen wachsam sein sollte. Vom Verkehrsministerium BW wäre zu wünschen, dass es Versuchen, den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof zu blockieren, bestimmter entgegentritt. Nach wie vor sind anscheinend die Kräfte am Werk, die Stuttgart 21 in der Reinform durchsetzen wollen.