Montag, 1. November 2021

Der Teilbetrieb auf der NBS Wendlingen-Ulm ab Ende 2022

Mit dem Fahrplanwechsel Ende 2022 wird die NBS Wendlingen-Ulm in Betrieb genommen. Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg informierte in einer Pressemitteilung vom 18.10.2021 über den geplanten Betrieb mit stündlichen Regionalverkehrszügen (IRE) im Verlauf der NBS Wendlingen-Ulm ab Ende 2022.

Demnach wird es ab Ende 2022 einen sogenannten Vorlaufbetrieb mit Regionalverkehrszügen IRE im Stundentakt zwischen Wendlingen und Ulm mit Halt in Merklingen geben. Die Reisezeit im Regionalverkehr zwischen Stuttgart und Ulm wird sich um 4 bis 7 Minuten verkürzen. Es werden lokbespannte, druckertüchtigte Züge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h eingesetzt. Zusätzlich lässt die Bahn einen ICE pro Stunde und Richtung über die NBS fahren.

Wir sehen uns im heutigen Post in diesem Blog einige Aspekte im Zusammenhang mit dem Vorlaufbetrieb Wendlingen - Ulm sowie mit der neuen Doppelspur Stuttgart - Ulm näher an.

Leistungsfähigkeit / Mischbetrieb
Der Teilbetrieb / Vorlaufbetrieb ab Ende 2022 dürfte die NBS Wendlingen - Ulm bereits an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen.
 
Einerseits gibt es einen längeren eingleisigen Streckenabschnitt, weil im Albvorlandtunnel nur eine der beiden Röhren in beiden Richtungen befahren werden kann. Andererseits ist noch nicht hundertprozentig klar, ob die zweite Brücke des Filstalviadukts ab Ende 2022 bereits befahrbar ist. Der Lückenschluss beim Verlegen der Schienen, der vor wenigen Tagen groß gefeiert wurde, bezieht sich ja nur auf eine der beiden Brücken des Filstalviadukts.
 
Dann gibt es im Verlauf der NBS Wendlingen - Ulm Mischbetrieb mit ICE und IRE. Mischbetrieb senkt die Leistungsfähigkeit einer Strecke drastisch. Mischbetrieb liegt immer dann vor, wenn im Verlauf einer Strecke Züge mit unterschiedlichen Beförderungsgeschwindigkeiten fahren. Die Fahrprofil des IRE unterscheidet sich maßgeblich von demjenigen des ICE. So fährt der IRE maximal 200 km/h und es ist fraglich, ob die lokbespannten Züge im Verlauf der langen Steigungsstrecke am Albtrauf diese Geschwindigkeit halten können sowie ob sie aus Sicherheitsgründen im Verlauf der langen Gefällestrecke der Gegenrichtung überhaupt 200 km/h schnell fahren dürfen. Die ICE fahren mit max. 250 km/h.
 
Die IRE halten zudem am Bahnhof Merklingen an und bremsen dort ab und fahren wieder an. Die ICE halten dort nicht. Schließlich halten die IRE am Bahnhof Wendlingen und bremsen dort ab bzw. fahren an. Die ICE halten dort nicht.
 
Die Übereckverbindung Tübingen/Reutlingen - Ulm
Als einen der ganz großen Vorteile des Betriebs ab Ende 2022 wird in der Pressemitteilung des Verkehrsministeriums die drastische Verkürzung der Reisezeiten um 30 bis 40 Minuten für die Übereckverbindung Tübingen/Reutlingen - Ulm genannt. Die Fahrgäste werden zukünftig in Wendlingen umsteigen.
 
Allerdings kommt jetzt gleich der Hammer. Dies gilt nur bis Ende 2025. Nach einer Inbetriebnahme von Stuttgart 21 entfällt das bequeme und rasche Umsteigen in Wendlingen. Dann müssen die Fahrgäste von Reutlingen/Tübingen erst mal zum Flughafen fahren, dort umsteigen und dieselbe Strecke wieder zurück nach Wendlingen und weiter nach Ulm fahren.
 
Dann stellt sich die Frage, wie schnell die Fahrt von Tübingen/Reutlingen nach Ulm über die NBS dann noch ist. Oder ist es dann vielleicht sogar besser und schneller, wie heute über Plochingen zu fahren und dort umzusteigen?
 
Die Überlastung der Strecke Wendlingen-Plochingen-Stuttgart
Der neue IRE über die NBS fährt von Ulm nicht nach Stuttgart, sondern nur nach Wendlingen. Das ist der Überlastung der Strecke Wendlingen-Plochingen-Stuttgart geschuldet. So schreibt es auch das Verkehrsministerium in seiner Pressemitteilung.
 
Es gibt weitere Zeichen für die Überlastung der Strecke Wendlingen-Plochingen-Stuttgart. So fahren viele Züge der neuen MEX1-Linie von Göppingen nicht bis Stuttgart, sondern nur bis Plochingen. Auch die geplanten zusätzlichen Fernverkehre der Bahn (drei ICE pro Stunde und Richtung in der Relation Stuttgart-Ulm) können nicht über die vorhandene Strecke Stuttgart-Plochingen abgewickelt werden. Bereits vor Jahrzehnten hat die Bahn die Strecke Stuttgart-Plochingen als überlastet kategorisiert und für diese Strecke den Einsatz von besonders spurtstarken Loks vorgeschrieben.
 
Die neue Doppelspur Stuttgart - Ulm
Die neue Doppelspur Mannheim-Karlsruhe-Basel sowie Mannheim-Stuttgart-Ulm gehört zu den wichtigsten Ausbauvorhaben der Bahn in BW seit dem Zweiten Weltkrieg. Bekanntlich ist der Ausbau ja noch längst nicht abgeschlossen.
 
In den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts plante die Bahn die neue Doppelspur Stuttgart-Ulm im Verlauf des Filstals. Es hätte einen Umfahrungstunnel für die Geislinger Steige gegeben sowie Umfahrungen verschiedener Orte im Filstal. Der Lückenschluss zwischen Plochingen und dem Stuttgarter Hauptbahnhof wäre über den Schurwaldtunnel und eine neue Neckarbrücke bei Bad Cannstatt erfolgt. Das wäre mein Favorit gewesen, weil diese neue Doppelspur auch dem Guterverkehr konkret geholfen hätte.
 
Dann musste die Bahn leider die Planungen im Filstal stornieren. Für die NBS Wendlingen-Ulm war zunächst vorgesehen, dass in Stuttgart ein Durchmessertunnel gebaut wird (Kopfbahnhof  wäre erhalten geblieben) und dann ab Obertürkheim ein Tunnel über das Körschtal nach Wendlingen gebaut wird. Damit wäre die neue Doppelspur vorhanden gewesen.
 
Am Anfang der Planungen für Stuttgart 21 plante die Bahn, die neue Doppelspur nach Ulm vom Stuttgarter Hauptbahnhof ins Neckartal bei Obertürkheim und dann mit einem Tunnel nach Wendlingen zu führen. Das wurde auf Drängen des Landes BW dann durch die umwegige Führung über den Flughafen abgelöst.
 
Auch der Entwurf "K 21" der Stuttgart 21-Kritiker hat die neue Doppelspur berücksichtigt. Die neue Doppelspur wäre von Wendlingen durch einen Tunnel Richtung Obertürkheim geführt worden. Von dort wäre die neue Doppelspur entlang der Bestandsgleise und über eine neue Neckarbrücke geführt  worden.
 
Demgegenüber stehen neuere Konzepte von Stuttgart 21-Kritikern, die meinen, auf die neue Doppelspur zwischen Wendlingen/Plochingen und dem Hauptbahnhof verzichten zu können. Das ist zum Scheitern verurteilt.
 
Wie geht es jetzt weiter?
An oberster Stelle der Agenda steht die Vollendung der neuen Doppelspur Mannheim-Stuttgart-Ulm mit der damit verbundenen Steigerung der Bahnkapaziäten. Stuttgart 21 bringt diese neue Doppelspur zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Wendlingen. Die NBS bringt die neue Doppelspur zwischen Wendlingen und Ulm. Daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern, es sei denn, man will die Vollendung der neuen Doppelspur um weitere 30 bis 40 Jahre verschieben.
 
Allerdings bringt Stuttgart 21 die neue Doppelspur zwischen Zuffenhausen und dem Hauptbahnhof und im Hauptbahnhof selbst nicht. Entsprechende Ausbaumaßnahmen wurden bei Stuttgart 21 wegen seiner primären Eigenschaft als Immobilienprojekt storniert.
 
Es gilt jetzt also, die neue Doppelspur auch im Nordzulauf (Zuffenhausen - Hauptbahnhof) einzurichten, sowie im Hauptbahnhof selbst. Das bedeutet dort den Bau einer Ergänzungsstation.          
 
       

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