Dies ist der dritte hintereinanderfolgende Post in diesem Blog zur geplanten Änderung des Finanzierungsvertrags zu Stuttgart 21.
Die Sache ist spannender, als man auf den ersten Blick glauben mag.
Die bisherige Planung der Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn soll storniert werden. Damit wird die Gäubahn aus dem Finanzierungsvertrag zu Stuttgart 21 herausgenommen. Alternativen dazu werden nicht in den Finanzierungsvertrag zu Stuttgart 21 aufgenommen. Denn jede mögliche Alternative wird nicht über das Projekt Stuttgart 21 finanziert.
Der Gäubahn-Filder-Tunnel ("Bilger-Tunnel") würde aus dem Verkehrshaushalt des Bundes finanziert. Die Ergänzungsstation beim Stuttgarter Hauptbahnhof mitsamt ihren Zuläufen einschließlich der Panoramastrecke der Gäubahn würde vom Land BW finanziert, das hierfür umfangreiche Zuwendungen gemäß dem Gemeindefinanzierungsgesetz bekommt. Die (vorübergehende) Beibehaltung der Führung der Gäubahn über die Panoramastrecke in den bestehenden Kopfbahnhof würde von der Bahn finanziert, die hierfür Zuschüsse des Landes bekäme.
Der Bilger-Tunnel ist keineswegs gesetzt
Noch ganz kurz zum Bilger-Tunnel: Man braucht diesbezüglich jetzt nicht in Panik auszubrechen. Zwischen der Idee und der Inbetriebnahme eines so großen Tunnels liegen in Deutschland mindestens 20 Jahre. Das Schienenausbauprogramm des Bundes ist hoffnungslos unterfinanziert. Der Bilger-Tunnel könnte demnach erst in 40 Jahren fertiggestellt werden. Denn es gibt zahlreiche wesentlich wichtigere Projekte in Deutschland. Zudem gibt es in Stuttgart mit dem Nordzulauftunnel einen weiteren Mega-Tunnel, der wesentlich wichtiger ist als der Bilger-Tunnel. Der Bund wird es nicht zulassen, dass Nordzulauftunnel und Bilger-Tunnel gleichzeitig im Bau sind.
Was ist mit dem Finanzierungsbeitrag des Flughafens?
Der Stuttgarter Flughafen hat für Stuttgart 21 eine Zuwendung in Höhe von 339,442 Mio Euro gegeben. Wenn nun die Gäubahn nicht über den Flughafen fährt, stellt sich die Frage, ob der Flughafen einen Teil seiner Mittel zurückfordern kann. Dazu sieht der Finanzierungsvertrag nichts vor. Der Flughafen wird seine Zuwendung - auch nur teilweise - nicht mehr wiedersehen. Andererseit erhält der Stuttgarter Flughafen einen Luxus-Bahnanschluss durch einen Umweg der Strecke Stuttgart-Ulm und eine Ausschleifung aus dieser Strecke mit einem in großer Tiefe liegenden, nur mit Aufzügen erreichbaren Bahnhof.
Der Gesamtwertumfang von Stuttgart 21 wird kleiner
Durch die Herausnahme der Gäubahn wird der Gesamtwertumfang von Stuttgart 21 kleiner. Das kommt der Bahn entgegen. Denn die Zuwendungen der Projektpartner für Stuttgart 21 werden nicht kleiner. Rückforderungen wird es nicht geben.
Was passiert mit der Klage der Bahn?
Die Bahn klagt gegen die Projektpartner. Sie will, dass die Projektpartner einen großen Teil der in der Zwischenzeit entstandenen Mehrkosten übernehmen ("Sprechklausel" §8 (4)). Wenn aber der Stuttgart 21-Vertrag jetzt geändert werden soll, was die Zustimmung aller Projektpartner erfordert, ist eine Klage der Bahn irgendwie deplaziert.
Wenn jetzt eine Änderung des Finanzierungsvertrags zu Stuttgart 21 ansteht, kann man die Vermutung äußern, dass dann auch eine außergerichtliche Beilegung der Finanzierungsstreitigkeiten ansteht. Vielleicht ist das Projekt einer außergerichtlichen Beilegung der Finanzierungsstreitigkeiten bereits näher als das Viele glauben.
Wie könnte ein außergerichtlicher Vergleich zu Stuttgart 21 aussehen?
Das ist jetzt wirklich nur noch Vermutung. Warum aber soll man sich darüber keine Gedanken machen?
Zunächst mal sinkt der Gesamtwertumfang des Projekts, was der Bahn bereits ein kleines Stück entgegenkommt. Dann hat sich die Landeshauptstadt Stuttgart ungeschickt verhalten, indem sie immer wieder auf einer Freiwerdung des Geländes der Gleise des Kopfbahnhofs und seiner Zuläufe bestanden hat. Die Öffentlichkeit und vielleicht auch das Gericht können so zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es sich bei Stuttgart 21 doch in erster Linie um ein Immobilienprojekt, oder seriöser ausgedrückt, um ein Städtebauprojekt handelt. Damit aber müsste die Landeshauptstadt Stuttgart den Löwenanteil der Mehrkosten, einige Milliarden, übernehmen. Stuttgart wäre dann pleite.
Vor diesem Hintergrund kommt Stuttgart noch gut weg, wenn die Stadt in einem außergerichtlichen Vergleich sich bereiterklärt, eine hohe dreistellige Millionensumme zu übernehmen. Das wäre dann auch ein Stück Lehrgeld dafür, dass Stuttgart seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Sachen Verkehr eine Außenseiterrolle einnimmt. Dazu gehört selbstverständlich auch Stuttgart 21. Viele andere Städte in Europa bauen unterirdische Durchmesserlinien zur Kapazitätssteigerung. Die bestehenden Bahnanlagen an der Oberfläche bleiben erhalten. Es ist zu hoffen, dass Stuttgart sich das zukünftig zu Herzen nimmt und mit seiner Außenseiterrollen in Sachen Verkehr abschließt, einer Außenseiterrolle, die nicht nur bei Stuttgart 21, sondern auch bei der Stadtbahn, bei der S-Bahn, bei den Ringstraßen usw. besteht.
Der Bund muss ebenfalls einen Teil der Mehrkosten übernehmen. Denn der Bund hat über all die Jahre hinweg die Bahn machen lassen und nicht ausreichend kontrolliert. Wäre der Bund seiner Kontrollpflicht umfänglich nachgekommen, hätte Stuttgart 21 nicht gebaut werden dürfen.
Das Land BW ist mit der Übernahmen der Kosten für Stuttgart 21-Ergänzungsmaßnahmen (z.B. Große Wendlinger Kurve, Ergänzungsstation usw.) bereits gestraft genug. Weitere Stuttgart 21-Kosten im engeren Sinne braucht das Land deshalb nicht übernehmen.
Die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, in welche Richtung der Hase läuft. Es bleibt spannend.
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