Zwei bis drei Jahre lang wäre, würde man Stuttgart 21 wie geplant bauen, der Verkehr der Stadtbahn-Tallängslinien in Stuttgart massiv gestört. Das musste jetzt auch die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) zugeben (Pressemitteilung vom 16.04.2014), nachdem kundige Menschen aus der großen Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 mit entsprechenden Informationen bereits vor Wochen an die Öffentlichkeit gegangen sind.
Ca. neun Monate lang würde zwischen den Haltestellen Staatsgalerie und Charlottenplatz kein Zug fahren können. Betroffen davon sind die Stadtbahnlinien U1, U2 und U4. Sogar ca. zwei Jahre lang könnte zwischen den Haltestellen Staatsgalerie und Hauptbahnhof kein Zug fahren. Das betrifft die Stadtbahnlinien U9 und U14.
In einer Flucht nach vorn musste SSB-Vorstand Arnold diese massiven Betriebseinschränkungen jetzt bestätigen - freilich nicht ohne gleich zu beschwichtigen und vermeintliche Vorteile anzuführen, für die sich selbst die größten Erschwernisse lohnen würden. Die betrieblichen Erschwernisse durch den wegen Stuttgart 21 erforderlich werdenden Neubau der U-Haltestelle Staatsgalerie sind gemäß Arnold gar nicht so schlimm, denn - und jetzt kommt die Schlüssel-Sprechblase - alle Haltestellen der Stadtbahn würden weiterhin angefahren.
Die von dieser Beschwichtigungsformel überdeckten Erschwernisse für die Fahrgäste sind freilich nicht von Pappe. Das müssten eigentlich auch alle Diejenigen verstehen, die sonst nie mit der Bahn fahren. Wenn eine Strecke unterbrochen wird, gibt es eben mehr oder weniger große Erschwernisse - auch wenn die Bahnhöfe auf beiden Seiten der Streckenunterbrechung von einer Seite aus weiterhin angefahren werden.
Hätte Arnold nicht den Stuttgart 21-Hintergrund, könnte er sich zum Umbau der Haltestelle Staatsgalerie unbefangener äußern
Nun könnte sich Arnold in Sachen Neubau der Haltestelle Staatsgalerie als Folge von Stuttgart 21 wesentlich freier und selbstsicherer verhalten, wenn er mit Stuttgart 21 nichts zu tun hätte und wenn er diesem Projekt mindestens neutral, wenn nicht ablehnend gegenüberstehen würde. Er könnte dann sagen, dass als Folge des Baus von Stuttgart 21 massive Erschwernisse für die Stadtbahn und deren Fahrgäste eintreten werden. Er könnte dann feststellen, dass die SSB diese Erschwernisse zutiefst bedauert und sich wünschen würde, die Erschwernisse treten nicht ein. Er könnte dann versichern, dass die SSB im Rahmen des Plangenehmigungsverfahrens alles daransetzen wird, dass diese Erschwernisse doch nicht eintreten. Schließlich könnte er noch sagen, dass der SSB nichts anderes übrigbleibt, als die Haltestelle Staatsgalerie umzubauen. Denn gegen Stuttgart 21 als Ganzes könne die SSB selbst nichts unternehmen. Das ist Sache der Politik.
Das alles kann Arnold aber nicht sagen. Denn Arnold ist nicht nur der Technische Vorstand der SSB. Arnold ist und war auch - in verschiedenen Funktionen - einer der Haupt-Förderer von Stuttgart 21. Als langjähriger Mitarbeiter von Professor Heimerl und Vorsitzender des verkehrswissenschaftlichen Instituts an der Universität Stuttgart e.V. trug er maßgeblich dazu bei, dass das Projekt Stuttgart 21 seinen Weg aus der Universität heraus in Richtung Landespolitik nehmen konnte und von der Politik schließlich aufgegriffen wurde. Zudem war Arnold Berater der früheren CDU-Landesregierung sowie von Alt-OB Schuster in Sachen Stuttgart 21. Es ist somit wahrscheinlich, dass die Haltung großer Teile der Politik in Bezug auf Stuttgart 21 den von Arnold vertretenen Ansichten entspricht.
Kann Arnold die Interessen der Fahrgäste der SSB noch vertreten?
Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen, ob Arnold die Interessen der SSB sowie deren Fahrgästen überhaupt noch vertreten kann. Zudem hat Arnold ein Glaubwürdigkeitsproblem. Bei allem, was Arnold heute und zukünftig sagt, müsste zunächst geprüft werden, ob er dies im Rahmen der ureigenen SSB-Interessen und der Interessen der Fahrgäste der SSB sagt, oder ob er dies sagt, um Stuttgart 21 irgendwie zu fördern.
OB Fritz Kuhn hat die Sprechblasen der SSB zum Umbau der Haltestelle Staatsgalerie vorweggenommen
Kommen wir nun zu OB Fritz Kuhn. Es fällt auf, dass sich OB Fritz Kuhn bereits einige Wochen vor der Pressemitteilung der SSB zu den Erschwernissen bei der Stadtbahn als Folge des Umbaus der Haltestelle Staatsgalerie geäußert hat. Er tat dies unter Anwendung derselben Schlüssel-Sprechblase, mit denen jetzt Arnold versucht, die Sache auszusitzen. Kuhn sagte nämlich, dass alle Haltestellen der Stadtbahn weiterhin angefahren werden.
Hier liegt die Vermutung nahe, dass Kuhn sich von der SSB instruieren ließ. Nun ist dies allein noch nichts Besonderes. Alle Oberbürgermeister auf der Welt fragen zu einem bestimmten Problem zunächst den zuständigen Referenten oder Amtsleiter und äußern sich anschließend im Großen und Ganzen in der Öffentlichkeit so, wie es der Referent oder Amtsleiter gegenüber dem OB getan hat. In Sachen Stuttgart 21 und SSB-Vorstand Arnold sowie in Sachen Kuhn versus Arnold liegt der Sachverhalt aber grundlegend anders.
Hier haben wir auf der einen Seite den Vorstand der SSB, der gleichzeitig einer der Hauptakteure in Sachen Stuttgart 21 ist. Auf der anderen Seite haben wir den OB Fritz Kuhn, der ganz klar als Gegner von Stuttgart 21 in das Amt des OB gewählt wurde, wobei Kuhn von mehr Stuttgarterinnen und Stuttgartern gewählt worden ist, als seinen Vorgänger im Amt jemals gewählt haben.
Die Gretchenfrage an OB Fritz Kuhn
Damit kommen wir zur Gretchenfrage an Fritz Kuhn: "Wie haben Sie es mit SSB-Vorstand Arnold?" Ist es statthaft, dass der heutige Stuttgarter OB, der ganz klar ins Amt gewählt wurde, weil er gegen Stuttgart 21 ist, sich den Haupt-Stuttgart 21-Akteur hier in Stuttgart als Berater auswählt? Auf Bundes- oder Landesebene jedenfalls wäre eine solche Konstellation undenkbar. Da wäre der Berater der Vorgängerregierung schon längst in den einstweiligen Ruhestand versetzt oder anderweitig aus der Schusslinie genommen worden.
Fritz Kuhn jedenfalls muss sich dem Vorwurf aussetzen, dass er durch sein Verhalten der Demokratie schadet. Insbesondere stellt sich hier die Frage, welchen Sinn die Direktwahl des Oberbürgermeisters eigentlich noch macht. Wenn die Fraktion der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat gleichzeitig kritische Fragen zur Unterbrechung des Stadtbahnverkehrs bei der Haltestelle Staatsgalerie durch Stuttgart 21 stellt, kann man das vor dem Hintergrund des Verhaltens von OB Fritz Kuhn nur als Ablenkungsmanöver bezeichnen.
Im folgenden Post in diesem Blog (Post vom 25.05.2014) setzen wir uns kritisch mit den vermeintlichen Vorteilen auseinander, die die SSB in ihrer Pressemitteilung der neu zu erbauenden Haltestelle Staatsgalerie zuschreibt.
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