Jahrzehntelang war die Straßenbahn in Heidelberg ein Stiefkind. Jetzt soll sie ausgebaut werden, um den öffentlichen Personennahverkehr in der Universitätsstadt entscheidend voranzubringen (Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 18.03.2013, 16:44 Uhr).
10 Kilometer neue Straßenbahnstrecken sollen fürs Erste gebaut werden. Das soll 160 Millionen Euro kosten. 108 Millionen Euro davon sollen über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) mit Zuschüssen von Bund und Land gefördert werden.
In die Freude über den bevorstehenden Ausbau der Straßenbahn in Heidelberg mischt sich jedoch Entsetzen. Werden da nicht in Stuttgart fast 200 Millionen Euro ausgegeben, nicht etwa um die Stadtbahn zu erweitern und zu verbessern, sondern einzig und allein mit dem Ziel, zwei bestehende Stadtbahntunnel abzureisen und neu zu bauen, nur weil sie Stuttgart 21 im Wege stehen? Wird da nicht eine Führung der U12 durch das A1-Gebiet geplant, obwohl sich diese Führung nur mit einer Bebauung des A2-Gebiets rechnet und sinnvoll ist und obwohl selbst bei einem Bau von Stuttgart 21 das A2-Gebiet frühestens im Jahr 2030 lückenhaft bebaut wäre?
Mit 200 Millionen Euro könnte man in Heidelberg 12,5 Kilometer Straßenbahn bauen, genauso in Ulm, in Karlsruhe, in Mannheim, in Heilbronn und in Freiburg. Und selbstverständlich könnte man für 200 Millionen Euro auch in Stuttgart 12,5 Kilometer modernster Niederflurstraßenbahnstrecken bauen.
Die knappen GVFG-Fördermittel werden in Stuttgart zum Fenster hinausgeworfen
Die Zuwendungen von Bund und Land gemäß dem GVFG sind gedeckelt und sie werden nur noch bis zum Jahr 2019 gewährt. Über eine Nachfolgeregelung ist noch nicht entschieden. Es gibt in Deutschland und auch in Baden-Württemberg wesentlich mehr Projekte für den Ausbau von Straßenbahnen, Stadtbahnen und U-Bahnen als Fördermittel vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund mutet es geradezu grotesk an, wie diese knappen Finanzmittel in Stuttgart aus dem Fenster geworfen werden.
Der Antrag auf Förderung der Ausbaupläne für die Heidelberger Straßenbahn liegt jetzt beim baden-württembergischen Verkehrsministerium. Dort müssen sie jetzt geprüft werden. Man kann dem Verkehrsminiserium nur raten, auch noch einmal die Zuschussmittel für die Stuttgarter Tunnel-Verlegungspläne und die Führung der U12 durch das A1-Gebiet zu prüfen.
Stuttgarter U12 durch das A1-Gebiet rechnet sich nicht
Die Führung der U12 durch das A1-Gebiet rechnet sich nur unter der Voraussetzung, dass das A2-Gebiet (Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs) bebaut ist. Sehen wir uns einmal die zeitliche Abfolge an. Die U12 durch das A1-Gebiet soll im Jahr 2016 fertiggestellt sein. Für Zuwendungen nach dem GVFG gilt eine Zweckbindungsfrist von 10 Jahren, somit also bis 2026. Nach diesem Zeitraum könnten die geförderten Anlagen bereits wieder stillgelegt und abgerissen werden.
Stuttgart 21 würde jedoch frühestens 2025 fertig werden. Eine Bebauung des A2-Gebiets wäre somit frühestens im Jahr 2030 lückenhaft vorhanden. Vor dem Jahr 2030 würde sich somit selbst bei einem Bau von Stuttgart 21 die Führung der U12 durch das A1-Gebiet nicht rechnen. Ein Vorhaben, das sich innerhalb der Zweckbindungsfrist des GVFG nicht rechnet, darf jedoch nicht oder zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt gefördert werden, zumal mit der Führung der U12 durch das A1-Gebiet ja massive Verschlechterungen für die Fahrgäste einhergehen, indem die U12 die wichtigen Haltestellen Türlenstraße und Pragfriedhof dann nicht mehr anfährt.
Bauen auf Vorrat?
Nun wird immer mal wieder eingewendet, dass man eben auf Vorrat baue. Ein solcher Einwand ist lächerlich, vor allem vor dem Hintergrund der viel zu knappen GVFG-Mittel. Diese Mittel dürfen ausschließlich für Projekte eingesetzt werden, die sich heute bereits rechnen. Es gibt in Deutschland hunderte und in Baden-Württemberg dutzende Vorhaben, die sich rechnen und für die eine GVFG-Förderung gewünscht wird. Für viele dieser Vorhaben ist kein Geld da. Und unter diesen Umständen soll in Stuttgart auf Vorrat gebaut werden? Da könnte man doch genauso gut sagen, wir bauen jetzt schon mal in Rothenburg ob der Tauber eine erste U-Bahnstrecke. Denn wer weiß, vielleicht wird sich dieser Ort in den kommenden hundert Jahren mal zur Großstadt entwickeln.
Kuhns Versprechungen drohen zum Rohrkrepierer zu werden
Stuttgarts neuer OB Fritz Kuhn hat im Programm für seine achtjährige Amtszeit eine zwanzigprozentige Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs in Stuttgart versprochen. Indem man 200 Millionen Euro für eine Verlegung von Stadtbahntunnels ausgibt, kommt man diesem Ziel jedoch keinen Millimeter näher. Fritz Kuhn läuft Gefahr, dass seine achtjährige Amtszeit (eine Verlängerung ist aus Altersgründen nicht möglich) zu einem Rohrkrepierer wird und dass es ihm nicht gelingen wird, in Stuttgart Zeichen zu setzen. Die Autolobby reibt sich schon mal die Hände.
Eigentlich müssten sich nicht nur die Städte in den anderen Bundesländern, sondern auch alle Straßenbahnstädte in Baden-Württemberg gegen die Verschwendung von GVFG-Mitteln in Stuttgart wehren. Eigentlich müssten Mannheim, Karlsruhe, Heidelberg, Freiburg, Ulm und Heilbronn sowie die potenziellen Straßenbahnstädte Kehl, Lörrach, Tübingen und Reutlingen beim baden-württembergischen Verkehrsministerium vorstellig werden, um den sofortigen Stopp der Bezuschussung der U12-Führung durch das A1-Gebiet zu verlangen. Eigentlich müsste der Landesverband Baden-Württemberg des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) eine Priorität für den Ausbau des kommunalen Schienenverkehrs einfordern an Stelle eines bloßen Umbaus für ein Bahnrückbauprojekt.
Eine Intervention des VDV wird jedoch wohl ein Wunschtraum bleiben. Denn der Vorsitzende der baden-württembergischen Landesgruppe des VDV ist Wolfgang Arnold, Technischer Vorstand der Stuttgarter Straßenbahnen AG und Ober-Strippenzieher zu Stuttgart 21.....
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.