Mittwoch, 26. September 2012

Stuttgart 21 bedeutet das Ende des Wettbewerbs im Bahn-Fernverkehr

Ist beim Stuttgarter Flughafen vorstellbar, dass dort nur Flugzeuge der Lufthansa bzw. ihrer Tochter Germanwings fliegen? Wohl kaum. Ist auf dem Neckarkanal und auf dem Rhein denkbar, dass dort nur Schiffe einer bestimmten Schiffsgesellschaft verkehren? Eigentlich nicht. Ist es denkbar, dass auf den Autobahnen nur Lkw einer bestimmten, im Staatsbesitz befindlichen Spedition fahren? Das würde vielleicht manchem Pkw-Fahrer gefallen. Aber auch dies ist kaum wünschenswert.

Was beim Luftverkehr, beim Schiffsverkehr und beim Lkw-Verkehr selbstverständlich ist, dass nämlich eine Wettbewerbssituation herrscht, dass mehrere Unternehmen diskriminierungsfrei Zugang zum Markt haben, wird bei Stuttgart 21 massiv in Frage gestellt bzw. verunmöglicht. Stuttgart 21 erweist sich als Totengräber des gerade erst im Entstehen begriffenen Wettbewerbs auf der Schiene im Fernverkehr.

Und das hat seine Ursache in der mangelnden Leistungsfähigkeit sowie in der mangelnden betrieblichen Flexibilität von Stuttgart 21. Die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 ist bereits durch den vom Land zu bestellenden Mindest-Regionalverkehr und den von der DB gefahrenen Grundtakt-Fernverkehr ausgereizt bzw. überreizt. Da bleibt dann kein Platz mehr für Verkehre anderer Bahngesellschaften.


Das Allgemeine Eisenbahngesetz steht im Widerspruch zu Stuttgart 21
Das aber steht im Widerspruch zum Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG). Bereits im §1 des AEG wird klargestellt, dass "dieses Gesetz.....der Sicherstellung eines unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene bei dem Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen...(dient)".    Und im §14 des AEG heißt es weiter: "Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind verpflichtet, die diskriminierungsfreie Benutzung der von ihnen betriebenen Eisenbahnfrastruktur.....zu gewähren".

Stuttgart 21 steht den Bestimmungen des AEG gleich in mehrfacher Hinsicht entgegen. So gibt es bei Stuttgart 21 keine Freiheit bei der Traktionswahl (elektrischer Betrieb, Dieselbetrieb). Es gibt keine freien Plätze auf den Bahnsteiggleisen, es gibt keine Freiheit bei der Wahl der Zeitdauer des Aufenthalts eines Zuges im Bahnhof und es gibt keine Freiheit bei der Wahl der Fahrtrichtung des Zuges (Fahrtrichtungswechsel im Bahnhof).

Sehen wir uns dies einmal an Hand eines Beispiels an. Wählen wir als Beispiel die Strecke Stuttgart-Nürnberg und nehmen wir an, dass eine private Bahngesellschaft demnächst Fernverkehrsleistungen Stuttgart-Nürnberg nonstop auf dieser Strecke viermal am Tag anbieten will. Das kann durchaus Sinn machen. Denn die DB liebäugelt ja mit einer Einstellung der IC-Leistungen auf dieser Strecke. Da kann zusätzlich zu den vom Land zu bestellenden Ersatz-IRE dann auch ein schnelles Fernverkehrs-Nonstop-Angebot sinnvoll sein. Und dieses Angebot ließe sich auch von Nürnberg über Pilsen nach Prag verlängern. Auf dieser Strecke hat die DB ja vor kurzem ihre Zugleistungen fast eingestellt und chauffiert die Fahrgäste jetzt mit Bussen durch die Gegend.

Freiheit bei der Traktionswahl
In den Stuttgart 21-Tunnels und im Stuttgart 21-Tiefbahnhof dürfen keine Dieseltriebwagen verkehren. Es kann für die genannte private Bahngesellschaft aber durchaus Sinn machen, das angestrebte Fernverkehrsangebot Stuttgart-Nürnberg zunächst einmal mit Dieseltriebwagen zu fahren. Diese Fahrzeuge sind schneller zu bekommen als elektrische Fahrzeuge, sie sind preiswerter und was die Umweltbelastung anbelangt nicht viel schlechter als E-Loks. Denn der Strom für die E-Loks kommt ja auch nicht nur aus der Steckdose. Die Unmöglichkeit, im Stuttgart 21-System mit Dieseltriebwagen zu fahren, stellt ein großes Hindernis für eine baldige Einführung eines Konkurrenz-Fernzugangebots dar und ist deshalb eine Diskriminierung.

Zugang zu den Bahnsteiggleisen
Nicht zuletzt die umfangreichen Untersuchungen von Dr. Engelhardt weisen darauf hin, dass im Stuttgart 21-Tiefbahnhof bei 32 Züge pro Stunde Schluss ist. Die Latte von 32 Zügen wird aber bereits mit den vom Land zu bestellenden Regionalzügen und mit dem Mindest-Fernverkehrsangebot der DB gerissen. Für Wettbewerber im Fernverkehr ist da kein Platz mehr. Die zu kleine Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 ist somit eine weitere Diskriminierung in Bezug auf ein Konkurrenz-Fernzugangebot.

Aufenthaltsdauer im Bahnhof
Selbst wenn irgendwann am Tag doch ein Platz für ein Konkurrenz-Fernverkehrsangebot im Stuttgart 21-Tiefbahnhof gefunden werden sollte, so dürfte der Zug dann nur ganz kurz halten. Nun kann es aber für die private Bahngesellschaft Sinn machen, ihre Fernzüge Stuttgart-Nürnberg-Stuttgart etwas länger im Stuttgarter Hauptbahnhof halten zu lassen. Dafür ist einerseits der sogenannte Umlaufplan maßgebend. Zwischen der Ankunft eines Zuges aus Nürnberg und der Rückfahrt nach Nürnberg können 20 oder 30 Minuten liegen. Und die Bahngesellschaft will den Zug während dieser Zeit im Bahnhof stehen lassen, um unnötige Leerfahrten zu vermeiden.

Zudem ist die private Bahngesellschaft kundenfreundlich. Sie sieht es als Vorteil an, dass ihre Züge bereits 20 oder 30 Minuten vor der Abfahrt im Bahnhof bereitstehen. Reisende, die schon früh am Bahnhof angekommen sind, können dann schon in den Zug einsteigen und es sich an ihrem Platz bequem machen bzw. sich schon einmal einen Kaffee zu nicht überhöhten Preisen in der Zugbar holen.

Leider ist dieser kundenfreundliche Betrieb bei Stuttgart 21 nicht möglich. Denn selbst, wenn für den Zug des Bahn-Wettbewerbers irgendwann am Tag ein Platz im Tiefbahnhof gefunden werden sollte, kann der Zug sich hier nicht so lange wie erforderlich aufhalten. Somit haben wir es hier mit einer weiteren Diskriminierung zu tun.

Fahrtrichtungswechsel im Bahnhof
Die private Bahngesellschaft möchte mit ihrem Zug gern in dieselbe Richtung wieder aus dem Bahnhof ausfahren, aus der der Zug eingefahren ist. Denn alles andere würde große Umwege und zusätzliche Kilometer und Kosten nach sich ziehen. Leider ist auch dies bei Stuttgart 21 nicht möglich. Alle Züge, die von irgendwoher in den Tiefbahnhof eingefahren sind, müssen in eine andere Richtung wieder ausfahren. Das ist eine weitere massive Diskriminierung, indem die freie Wahl des Fahrwegs verunmöglicht wird.

Bahn hält sich Konkurrenz vom Leib
Somit erscheint Stuttgart 21 als ein ganz geschickter Schachzug der Bahn, sich für die nächsten hundert Jahre Konkurrenz im Fernverkehr vom Leib zu halten - nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Süddeutschland. Hier sind jetzt die Bundesregierung und die Aufsichtsbehörden gefordert, dem Einhalt zu gebieten und Stuttgart 21 zu stoppen.

Die Konkurrenz gibt es nur bei den Fernbussen
Eine Konkurrenz zur DB gibt es aber doch. Ab dem Jahr 2013 lässt der Gesetzgeber Fernbusverkehre in ganz Deutschland zu. Der Engpass Stuttgart 21 und die Behinderung der Wettbewerber im Schienen-Fernverkehr durch Stuttgart 21 erweist sich somit als Konjunkturprogramm für die Busfirmen, die Bushersteller und die Straßenbauer. Ist letztendlich das die treibende Kraft, die hinter Stuttgart 21 steht? 

Man kann den mitdenkenden Bürgern nur anraten, stets alles zu hinterfragen. In den allermeisten Fällen sind die Kräfte und Mächte und Interessengruppen, die hinter einer bestimmten Sache stehen, nicht von vornherein klar. Manchmal kommt man diesen Mächten überhaupt nicht auf die Schliche. Hoffen wir, dass sich die Sache bei Stuttgart 21 anders verhält und das Vorhaben bald gestoppt wird. Immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, dass es bis zum Stopp von Stuttgart 21 tatsächlich nicht mehr weit ist. 

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