Dies ist nun bereits der dritte Post in diesem Blog zur bevorstehenden Bürgerbeteiligung zu Stuttgart 21 im Planfeststellungsabschnitt 1.3 auf den Fildern und beim Flughafen. In den beiden letzten Posts wurden die Anforderungen an einen Bahnausbau auf den Fildern formuliert. Zudem gab es einen Vorschlag für einen Bahnausbau, der sowohl mit als auch ohne Stuttgart 21 funktioniert.
Es wäre dringend angeraten, einen solchen Ausbauvorschlag für die Fildern bevorzugt zu untersuchen. Denn ein Ausbau auf den Fildern, der ausschließlich auf eine Fertigstellung des Kerns von Stuttgart 21 abzielt, kann sich ganz schnell zum Bumerang entwickeln. Bei einem Stopp von Stuttgart 21 bzw. bei einer unvollständigen Fertigstellung von Stuttgart 21 laufen die Fildern sonst Gefahr, auf einer Bauruine bzw. auf einer Funktionsruine sitzen zu bleiben.
Im heutigen Post soll ein Punkt des im letzten Post formulierten Pflichtenhefts näher betrachtet werden. Dies ist der Punkt einer notwendigen Entlastung der S-Bahn-Stammstrecke in der Stuttgarter Innenstadt durch eine tangentiale, nicht über den Stuttgarter Talkessel führende Bahnverbindung auf den Fildern.
Beginnen wir mit einer Betrachtung vergleichbarer S-Bahnnetze. S-Bahnen vom Netztyp wie in Stuttgart gibt es noch in Hamburg, Frankfurt und München (in Leipzig ist etwas ähnliches gerade im Bau). Diese S-Bahnnetze zeichnen sich dadurch aus, dass eine durch die Innenstadt führende Strecke angelegt wurde, die den Kopfbahnhof unterfährt, und die auf der anderen Seite der Innenstadt wieder an das bestehende Bahnnetz anbindet.
Dieser S-Bahnausbau ist womöglich die erfolgreichste Verkehrsinvestition in Deutschland nach dem Krieg. Die entsprechenden S-Bahnsysteme scheinen unter der Last des Erfolgs (sprich der Menge an Fahrgästen) fast zusammenzubrechen. Welche Maßnahmen sind nun in den einzelnen Städten eingeleitet worden bzw. welche Maßnahmen sind geplant, um die S-Bahn-Stammstrecken zu entlasten?
Hamburg
Hamburg hat bereits in den Jahren 1975-81 stufenweise eine zweite Stammstrecke in der Innenstadt zwischen dem Hauptbahnhof und dem Bahnhof Altona in Betrieb genommen. Die Hamburger S-Bahn ist seitdem mit zwei Stammstrecken und sechs Außenstrecken hervorragend aufgestellt. Eine Überlastung des Systems bzw. der beiden Stammstrecken wird so schnell nicht eintreten.
Frankfurt
Frankfurt hat genau genommen eineinhalb Stammstrecken. Denn von der Strecke Hauptbahnhof - Offenbach zweigt unterirdisch beim Haltepunkt Ostendstraße ein Streckenast zum Südbahnhof ab. Vom Südbahnhof gibt es die Möglichkeit, in einer Art Ringschluss die zum Hauptbahnhof führenden Strecken von Darmstadt, Mainz und Biblis ein zweites Mal zu erreichen. Damit wird die Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Hauptwache entlastet. Eine weitere Planung sieht eine tangential geführte Stadtbahn im Westen von Frankfurt vor, die den S-Bahnhaltepunkt Hauptbahnhof weiter entlasten kann.
München
Die S-Bahn-Stammstrecke in München ist hoffnunglos überlastet, obwohl in den Jahren 2003-2004 durch die Einrichtung einer neuen Signalisierung die Zugfolgezeit auf rekordverdächtige 2 Minuten verdichtet wurde. Eine zweite, unterirdisch verlaufende Stammstrecke ist schon lange in Planung. Jedoch bereitet die Finanzierung der mindestens 1,6 Milliarden Euro kostenden Strecke erhebliche Probleme. Erst im Februar 2012 hat der Bund erklärt, dass er sich außerstande sieht, in den kommenden Jahren seinen Anteil an der zweiten Stammstrecke zu finanzieren. Münchens Oberbürgermeister Ude hat daraufhin erklärt, dass sich der Baubeginn für die zweite Stammstrecke um mindestens zwei Jahre verschieben wird. Der Gau wird eintreten, wenn sich demnächst herausstellt, dass die zweite Stammstrecke auch in den kommenden Jahren nicht finanzierbar ist. Dann müsste man in München mit den Planungen für eine Entlastung der S-Bahn wieder von vorne beginnen.
Stuttgart
Auch in Stuttgart sind die S-Bahn und ihre Stammstrecke in der Innenstadt tendenziell überlastet. Zumindest ist eine weitere merkbare Verlagerung von Fahrten vom Kfz auf die S-Bahn mit dem derzeit bestehenden System nicht machbar. Ist nun eine zweite Stammstrecke durch die Stuttgarter Innenstadt - analog Hamburg und München - die Lösung des Stuttgarter S-Bahnproblems?
Meine Antwort lautet: nein. Es gilt eine Lösung zu finden, die auf die spezifischen Randbedingungen der Stuttgarter Innenstadt, der Stadt Stuttgart, der Region Stuttgart und des S-Bahnsystems abgestimmt ist. Und zu diesen Randbedingungen gehört zum Beispiel, dass die Stuttgarter Innenstadt bedingt durch die Kessellage kleiner ist als die Innenstädte der bereits genannten anderen Städte. Und es gehört auch zu den Randbedingungen, dass die Region Stuttgart anders strukturiert ist als etwa die Regionen Hamburg und München. In der Region Stuttgart gibt es neben einem starken Zentrum viele ebenfalls starke mittelgroße Städte und Zentren.
Diese und andere Randbedingungen führen dazu, dass eine zweite Stammstrecke durch die Innenstadt nicht die richtige Lösung für die S-Bahn Stuttgart ist. Statt dessen ist anzustreben, dass die Fahrgäste, deren Fahrt nicht im Stuttgarter Talkessel beginnt oder endet, dort erst gar nicht durchfahren müssen. Zudem sollen vermehrt Verbindungen zwischen den starken mittelgroßen Zentren der Region Stuttgart eingerichtet werden. Das läuft auf die Einrichtung von Tangentiallinien hinaus.
Die im Bau befindlichen Strecken von Renningen nach Böblingen (S60) und von Backnang nach Marbach (S40) sind solche Tangentialstrecken, wenngleich ihre Entlastungswirkung für die Stammstrecke eher gering sein dürfte. Eine merkbare Entlasung der Stammstrecke wird die vorgeschlagene neue Strecke auf den Fildern bringen mit den Elementen Neubaustrecke Wendlingen-Flughafen, neuer Flughafenbahnhof direkt neben dem bestehenden S-Bahnhof und Neubaustrecke Flughafen-Rohr. Diese Neubaustrecke wird eine Vielzahl an Fahrten aufnehmen, die bisher über die Stammstrecke der S-Bahn gelaufen sind. Dazu gehören zum Beispiel: Tübingen - S-Vaihingen, Nürtingen - Flughafen, Plochingen - Böblingen, Flughafen - Hauptbahnhof.
Und allein mit dieser Aufgabe ist der Bahnausbau auf den Fildern zu rechtfertigen. Da braucht es gar nicht zwangsläufig noch ein Stuttgart 21 mit einem Fildertunnel. Nun könnte man noch einwenden, dass doch auch mit Stuttgart 21 Fahrten vom Kfz und von der S-Bahn auf den neuen Tiefbahnhof verlagert werden sollen. Hierzu ist meine Antwort eindeutig: diese Behauptung stimmt nicht. Denn Stuttgart 21 ist so wenig leistungsfähig, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht einmal den heute im Stuttgarter Kopfbahnhof stattfindenden Verkehr aufnehmen kann.
Im nächsten Post geht es dann zu einem weiteren Punkt des genannten Pflichtenhefts, nämlich dem Verzicht auf den achtstreifigen Ausbau der A8 als Folge des Bahnausbaus auf den Fildern.
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