Dienstag, 9. August 2011

Zürcher Durchmesserlinie ist nicht identisch mit Kombi-Vorschlag für Stuttgart

Auf den ersten Blick ist die Ähnlichkeit verblüffend. Der von Heiner Geißler und der Schweizer Gutachterfirma SMA für Stuttgart gemachte Kombivorschlag scheint von der in Zürich gerade im Bau befindlichen Durchmesserlinie abgekupfert zu sein.

Die Durchmesserlinie in Zürich beinhaltet einen viergleisigen Durchgangsbahnhof unter dem Zürcher Hauptbahnhof, genauso verhält es sich beim Kombivorschlag für Stuttgart. Und die beiden Zulaufstrecken zum Durchgangsbahnhof sind in Zürich zweigleisig, wie auch beim Vorschlag für Stuttgart. Der Zürcher Kopfbahnhof bleibt erhalten, wie auch der Kopfbahnhof in Stuttgart.



Damit enden aber die Gemeinsamkeiten bereits. Denn die Triebkraft für den Bau der teuren Zürcher Durchmesserlinie ist eine ganz andere als die hinter Stuttgart 21 oder der Kombilösung steckenden Motive. In der Schweiz wird ein so teures Projekt wie die Zürcher Durchmesserlinie nicht einfach so mal gebaut. Wenn so ein Projekt angepackt wird - und vom Volk in einer Abstimmung gutgeheißen wird - dann nur, wenn handfeste Argumente für den Bau vorliegen. 

In der Schweiz hat der Bahnverkehr eine wesentlich höhere Bedeutung als in Deutschland. Auch der Anteil des Bahnverkehrs am gesamten Verkehr ist wesentlich höher als in Deutschland. Und nicht zuletzt steigt der Bahnverkehr in der Schweiz von Jahr zu Jahr und es besteht der parteiübergreifende politische Wille, dass die Steigerung des Bahnverkehrs auch in den kommenden Jahrzehnten weitergeht.

Nun soll die Zürcher Durchmesserlinie jedoch nicht nur die zukünftig zu erwartenden Steigerungen des Bahnverkehrs bewältigen. Vielmehr ist der Zürcher Kopfbahnhof bereits seit einigen Jahren überlastet. Die 16 Gleise des Kopfbahnhofs (+ 4 Gleise im S-Bahnhof) reichen schon lange nicht mehr aus. Es blieb den Verantwortlichen nichts anderes übrig, als auf einem Gelände neben dem Kopfbahnhof, das früher dem Stückgutverkehr diente, einen viergleisigen provisorischen Kopfbahnhof zu bauen. Dieser Bahnhof entlastet den eigentlichen Kopfbahnhof so lange, bis die Durchmesserlinie in Betrieb genommen wird. Nach der Inbetriebnahme der Durchmesserlinie wird der provisorische Zusatz-Kopfbahnhof wieder abgebaut und das Gelände einer endgültigen städtebaulichen Nutzung zugeführt.

Obwohl also die 16 Gleise des Zürcher Kopfbahnhofs erhalten bleiben und weiterhin voll ausgelastet sein werden, wird die Durchmesserlinie bereits vom ersten Betriebstag an eine beträchtliche Zahl von Zügen zu bewältigen haben. Da ist noch gar keine Rede von zukünftigen Zuwächsen im Bahnverkehr.

Wie anders sieht dagegen die Situation in Stuttgart aus!

Der 16gleisige Kopfbahnhof in Stuttgart ist nicht ausgelastet. Die Zufahrtstrecken sind zwar während der morgendlichen Berufsverkehrszeit teilweise stark belastet, jedoch kaum überlastet. Und Zuwächse beim Bahnverkehr, die zu einer markanten Überlastung der Zulaufstrecken oder des Kopfbahnhofs führen könnten, sind nicht in Sicht. Weder beim Fernverkehr, den die Bahn eigenwirtschaftlich betreibt und wo beim Fahrplan für den sogenannten Stresstest sogar bestehende IC-Züge aus Richtung Heidelberg getrichen worden sind oder wo auf der sagenumwobenen Magistrale Paris-Bratislava kaum Züge verkehren werden. Noch beim Regionalverkehr, den das Land bestellt und bei dem das Land im Falle von Stuttgart 21 oder teilweise auch der Kombilösung teure Strecken- und Stationsgebühren an die Bahn bezahlen muss.

Was die Zukunft der Eisenbahn in Deutschland betrifft, ist somit kaum ein Grund vorhanden, ein Projekt wie Stuttgart 21 oder die Kombilösung zu bauen. Dieses Projekt ist weitgehend sinnfrei, eben ein Prestigeprojekt im eigentlichen Wortsinn. Das sieht man auch daran, dass die Kombilösung den späteren Abbau von vier oder sogar sechs Gleisen im Kopfbahnhof vorsieht, weil sie nicht mehr benötigt werden. 

Niemand hätte etwas gegen eine Politik einzuwenden, die zum Beispiel eine Verdoppelung des Bahnverkehrs in Deutschland in den kommenden 15 Jahren vorantreibt und als deren Folge dann auch der Bahnknoten Stuttgart massiv ausgebaut werden müsste. Eine solche Politik ist aber nicht in Sicht. Also machen auch Stuttgart 21 oder die Kombilösung keinen Sinn - ganz im Gegensatz zur Zürcher Durchmesserlinie, ohne die in Zürich und im Schweizer Eisenbahnverkehr bald der Notstand ausbrechen würde.

Wenn man in Deutschland schon die Eisenbahn ausbaut, dann sollte man Projekte fördern, die einen positiven Nutzen-Kosten-Faktor haben, die die Umwelt entlasten und die in Etappen umzusetzen sind. Der letzte Grund ist bei der Wankelmütigkeit der Politik in Deutschland von besonderer Bedeutung. Und zu diesen Projekten gehört zum Beispiel der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn, der dort heute bestehende Engpässe beseitigt, der eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene ermöglicht und der Voraussetzung für das Gelingen der ZigMilliardenInvestitionsProjekte der Gotthard- und Monte Ceneri-Basistunnels in der Schweiz ist. 

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