Die ominöse Magistrale Paris - Bratislava war über die ganzen Jahre hinweg eines der Hauptargumente für Stuttgart 21. Würde Stuttgart 21 nicht gebaut, so die Drohung, würde Stuttgart von dieser Wunder-Magistrale abgehängt, würde Stuttgart tiefste Provinz werden, würden die Unternehmen der Region Reißaus nehmen.
Oder was palaverte zum Beispiel der ehemalige Ministerpräsident Oettinger nicht alles über die Magistrale Paris-Bratislava, bevor ihn Angela Merkel nach Brüssel abkommandierte? Würde Stuttgart 21 nicht gebaut, so Oettinger, würden zukünftig die Fernzüge nicht mehr über Stuttgart, sondern über Frankfurt/Main fahren.
Was sich beim Sach- und Faktencheck im vergangenen Herbst bereits abzeichnete, wird jetzt bei der Sichtung der von der DB für die Öffentlichkeit bereits freigegebenen Unterlagen zum Stuttgart 21 - Stresstest zur Gewissheit. Es gibt die Magistrale Paris-Bratislava gar nicht, zumindest nicht in bahnverkehrlicher Hinsicht. Es gibt die Magistrale Paris-Bratislava heute nicht und es wird die Magistrale Paris-Bratislava auch in 15 bis 20 Jahren, wenn Stuttgart 21 vielleicht in Betrieb genommen werden würde, nicht geben.
Während der von der Bahn für den Stresstest aufbereiteten morgendlichen Spitzenstunde von 7 bis 8 Uhr gibt es keinen einzigen Zug, der im Verlauf der Magistrale fährt. Es gibt weder einen ankommenden noch einen abfahrenden Zug. Wenn aber die Magistrale die Bedeutung hätte, die uns manche Politiker immer vorgegaukelt haben und wie sie in den Hochglanzbroschüren dargestellt war, müsste doch zwischen 7 und 8 Uhr mindestens ein Zug in Richtung Budapest abfahren oder in die Gegenrichtung nach Paris. Aber nein: Fehlanzeige. Und es ist auch klar, warum hier Fehlanzeige herrscht. Züge im Verlauf der Magistrale hätten bei den beschränkten Kapazitäten von Stuttgart 21 während der Spitzenzeiten einfach keinen Platz.
Und wenn man den gesamten Tag betrachtet, sind für Stuttgart 21 gerade mal fünf TGV-Züge nach Paris angegeben (Der fünfte Zug ist nicht einmal sicher, denn in den Bahnunterlagen hat der fünfte Zug dieselbe Nummer wie der vierte Zug, jedoch mit einer Zusatzzahl). Vier TGV-Züge pro Tag fahren nun bereits seit mehreren Jahren von Stuttgart nach Paris. Und der fünfte tägliche Zug ist längst geplant und hat mit Stuttgart 21 überhaupt nichts zu tun. Züge in die Gegenrichtung, in Richtung Wien, Budapest, Bratislava, Belgrad oder Athen gibt es bei Stuttgart 21 nicht. Es gab solche Züge früher mal, als anscheinend Europa auf der Schiene noch besser verbunden war als dies in 20 Jahren der Fall sein wird.
Fazit: Gegenüber dem Bestand wird es bei Stuttgart 21 praktisch keine Änderungen oder Verbesserungen im Verlauf der Magistrale geben. Das ist fast schon beängstigend. Denn 15 bis 20 Jahre bis zur Fertigstellung von Stuttgart 21 sind ein langer Zeitraum. Da könnte einerseits das vereinigte Europa schon längst wieder Geschichte sein. Oder es könnte bei positiver Entwicklung ein riesiger Bedarf für Züge zwischen den europäischen Metropolen bestehen. Bei der Abdeckung eines solchen Bedarfs müsste Stuttgart 21 dann passen.
Mein Gott, was für einem Blendwerk wären wir da um ein Haar aufgesessen! Es wird jetzt allerhöchste Zeit, dass dieses Blendwerk, genannt Stuttgart 21, auf den Müllhaufen der Geschichte entsorgt wird.
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