Sonntag, 31. Oktober 2010

Zweite Sach- und Faktenschlichtung: Waterloo für die Bahn

Am Freitag, den 29. Oktober 2010 fand unter der Leitung des Schlichters Heiner Geißler die zweite Sach- und Faktenschlichtung zum Projekt Stuttgart 21 statt.

Auch bei der zweiten Schlichtungsrunde war das Thema der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 auf der Tagesordnung, ein Thema, das eigentlich bereits bei der ersten Runde abschließend behandelt werden sollte. Es zeigte sich, dass die Bahn auch in der zweiten Runde nicht in der Lage war, zu diesem Thema befriedigende Antworten zu geben.



Es ist bisher nicht einmal sichergestellt, dass Stuttgart 21 die heutigen Zugzahlen des Kopfbahnhofs abwickeln kann. Selbst wenn es der Bahn gelingen sollte, bei einem der nächsten Termine den Nachweis zu erbringen, dass das heutige Verkehrsangebot auch bei Stuttgart 21 möglich ist, wäre das Projekt Stuttgart 21 trotzdem eine Totgeburt. Denn ein sogenanntes Jahrhundertprojekt, das nicht in der Lage ist, die in der Zukunft dringend erforderliche Verdoppelung der Verkehrs auf der Schiene abzuwickeln, darf nie und nimmer verwirklicht werden.

Versuche der Bahn, die Kapazitätsbetrachtungen zu Stuttgart 21 nur auf den Durchgangsbahnhof zu reduzieren, scheiterten. Stuttgart 21 ist ja wesentlich mehr als nur der neue Durchgangsbahnhof und Stuttgart 21 ist gespickt mit Engpässen und Einschränkungen:
  • eingleisige Ausfädelung aus Richtung Stuttgart zum neuen Flughafenbahnhof
  • eingleisige Wendlinger Kurve mit zwei Gleiskreuzungen
  • Gleiskreuzung bei der Rohrer Kurve
  • Mischbetrieb S-Bahn, Fernbahn und Regionalbahn im Bereich Leinfelden-Echterdingen
  • eingleisiger S-Bahnbetrieb beim Bahnhof Flughafen
  • eingleisiger Regional- und Fernzugbetrieb beim Bahnhof Flughafen
  • Gleiskreuzung im Osten des Bahnhofs Flughafen
  • Einfädelung der Gäubahn in die Neubaustrecke beim Flughafen
  • eingleisige Strecke mit Gleiskreuzungen östlich von Bad Cannstatt
  • Überlastung des zweigleisigen Tunnels zwischen Feuerbach und Hauptbahnhof

Es konnte auch nachgewiesen werden, dass Anschlüsse zwischen zwei Zügen im Durchgangsbahnhof sowie im neuen Flughafenbahnhof kaum vorhanden sind. Wartezeiten von über einer halben Stunde sind die Folge und zehren eventuelle Fahrzeitgewinne mehr als auf.

Peinlich für die Bahn war auch deren Hinweis auf den Nord-Süd-Tunnel in Berlin. Dieser Tunnel ist zur Zeit längst nicht ausgelastet, weil die Infrastruktur in Berlin eben weit großzügiger dimensioniert wurde als bei Stuttgart 21.

Klar wurde auch, dass die Strecke Flughafen - Wendlingen und evtl. Hauptbahnhof - Feuerbach nur mit Zügen, die mit der ETCS-Technik ausgerüstet sind, befahren werden können. Diese Züge gibt es zur Zeit noch nicht. Zudem ist dies eine schwere Einschränkung für den Wettbewerb auf der Schiene.

Auch Flughafenchef Fundel durfte wieder reden. Den Vogel schoss Fundel ab, als er - von Boris Palmer in die Enge getrieben - sinngemäß feststellte, dass die zum Flughafen fahrenden Fahrgäste mehr wert seien als die sonstigen Pendler.

Hintergrund war - und das ist ja in diesem Blog auch schon verschiedentlich zur Sprache gekommen - dass im Vergleich zur Gesamtzahl der Fahrgäste im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) nur ganz wenige Fahrgäste zum Flughafen und zur Messe wollen. Der VVS beförderte 2009 über 320 Mio. Fahrgäste. Dem stehen 10 Mio Fluggäste und 1,5 Mio Messebesucher gegenüber (und von diesen Fluggästen und Messebesuchern fährt über die Hälfte auch bei Stuttgart 21 mit dem Auto an).

Also ist eigentlich bereits nach der zweiten Schlichtungsrunde alles klar: die Anbindung des Flughafens an das Fernverkehrsnetz ist ein Witz, Stuttgart 21 insgesamt ist ein Irrsinn. Hoffen wir, dass dies in den nächsten Schlichtungsrunden noch deutlicher wird!          

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