Sonntag, 3. April 2016

Kopfbahnhof bietet ab Dezember 2016 bessere Stuttgart-Lindau-Verbindung als für Stuttgart 21 zugrundegelegt

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hat am 10.03.2016 den Zuschlag für die Regionalverkehrsleistungen des Netzes 2, die Verbindung von Stuttgart über Ulm nach Lindau, an die Bahn AG vergeben. Der neue Verkehrsvertrag wird ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2016 wirksam. 

Die wichtigste Neuerung ist gemäß einer Pressemitteilung des Verkehrsministeriums vom 10.03.2016 die Einführung des Stundentakts mit den schnellen IRE-Zügen Stuttgart-Lindau an Stelle des bisher gefahrenen Zwei-Stunden-Takts. Diese Nachricht ist eine Sensation. Denn sie ist einer von vielen Beweisen, dass mit dem Stuttgarter Kopfbahnhof sogar ein besseres Zugangebot gefahren werden kann als für Stuttgart 21 zugrundegelegt worden ist. Das Zugangebot (Taktverkehre) bei Stuttgart 21 sieht nur alle zwei Stunden einen Interregio (IR) von Stuttgart nach Lindau vor.

(Zu den Zeiten, als Stuttgart 21 geplant und als der Tiefbahnhof planfestgestellt wurde, gab es noch die eigenwirtschaftlich von der Bahn gefahrenen Interregio-Züge. Die Bahn hat in der Zwischenzeit alle Interregio-Züge eingestellt. Das Land BW musste in die Bresche springen. Für die aufgegebene IR-Verbindung Stuttgart-Lindau hat das Land Regionalzugverkehr (IRE) bestellt.)

Bevor wir auf den brisanten Vergleich mit Stuttgart 21 näher eingehen, sehen wir uns das ab Dezember 2016 geplante Angebot noch etwas näher an. Der neue Stundentakt mit IRE Stuttgart-Lindau soll täglich von 5:30 bis 23:30 gelten - ein Super-Angebot, das um Längen besser ist als das bestehende Angebot. Die IRE-Züge halten zudem zukünftig auch in Esslingen am Neckar. Das tun sie heute nicht. Dabei ist klar, dass eine 90.000 Einwohner-Stadt wie Esslingen auf jeden Fall vom IRE bedient werden muss.


Der IRE bedient endlich die 90.000 Einwohner-Stadt Esslingen
Der neue stündliche Halt des IRE in Esslingen ist ein schönes Beispiel dafür, wie mit einfachen, fast kostenlosen Maßnahmen der Bahnverkehr für Zehntausende potenzielle Bahnreisende attraktiver gemacht werden kann. Diese begrüßenswerte Entscheidung der Landesregierung steht damit in auffälligem Kontrast zum Projekt Stuttgart 21, wo irgendwelche Verbesserungen für die Bahnreisenden Milliarden kosten und sich im Nachhinein und bei näherer Betrachtung oft als Verschlimmbesserungen herausstellen.

Das neue, um Längen bessere Bahnangebot in der Relation Stuttgart-Lindau war für das Land zudem billiger zu bekommen als das bisherige Angebot. Mit dem alten, unter der CDU-Regierung abgeschlossenen Verkehrsvertrag kostete der Zugkilometer das Land noch 11,69 Euro. Das neue Bahnangebot konnte für 8,92 Euro pro Zugkilometer gesichert werden. Weitere Verbesserungen, die die Grün-Rote Landesregierung erfolgreich verhandeln konnte, sind eine Erhöhung der Sitzplatzkapazitäten, ein umfassendes Redesign im Innenbereich mit neuen Sitzen, eine durchgehende Klimatisierung, höhere Mitnahmekapazitäten für Fahrräder sowie WLAN und eine Ausstattung mit Steckdosen.

Stuttgarter Kopfbahnhof bietet besseres Angebot als für Stuttgart 21 geplant war 
Kommen wir aber zurück zum Thema Stuttgart 21. Wir haben es bei der Verbindung Stuttgart-Lindau jetzt mit dem unglaublichen Sachverhalt zu tun, dass der Stuttgarter Kopfbahnhof ab Dezember 2016 ein besseres Angebot bietet als für Stuttgart 21 vorgesehen war. Und diesbezüglich gibt es weitere Verbindungen ab Stuttgart in andere Richtungen, bei denen ein ähnlicher Sachverhalt besteht.

Der Stresstest zu Stuttgart 21 sowie der Schlichterspruch von Heiner Geißler haben keinerlei rechtliche Bindung. Maßgebend beim Projekt Stuttgart 21 sind ausschließlich die Unterlagen, die der Planfeststellung von Stuttgart zugrunde lagen und die auch von den Gerichten bei den Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Tiefbahnhof herangezogen worden sind. Dazu gehören die ergänzenden betrieblichen Untersuchungen des VWI zu Stuttgart 21. In den Anlagen 21, 22, 23 und 24 dieser Untersuchungen, die den Zugbetrieb (Taktverkehre) bei Stuttgart 21 darstellen, gibt es für die Relation Stuttgart-Lindau nur den Zwei-Stunden-Takt. Daraus kann man einiges über die Denke ableiten, die hinter dem Projekt Stuttgart 21 steckt.

Warum hat die frühere CDU-Landesregierung einen IRE-Stundentakt für die NBS Wendlingen-Ulm angekündigt
Nun hat aber die frühere CDU-Landesregierung in Abänderung dieser Unterlagen zu Stuttgart 21 für die NBS Wendlingen-Ulm einen Stundentakt mit IRE Stuttgart-Lindau angekündigt. Das erfolgte aber nicht in erster Linie mit dem Ziel, etwas für die Fahrgäste zu tun und den Anteil der Bahn am Gesamtverkehr zu verbessern. Dahinter steckte das Bestreben, der Bahn weitere Geldmittel in Form der Trassenpreise, die das Land für die IRE der Bahn zahlen muss, in Aussicht zu stellen. Ohne direkte und indirekte Zuwendungen des Landes hätten der Bund und die Bahn die NBS nicht oder zumindest nicht zum heutigen Zeitpunkt gebaut.

Neben der Fragwürdigkeit der direkten und indirekten Subventionen des Landes für die NBS ist die Führung der IRE Stuttgart-Lindau über die NBS auch verkehrsplanerisch und raumordnerisch ein Fiasko. Der Regionalverkehr im Allgemeinen und der IRE-Verkehr im Besonderen gehören auf die Filstalstrecke, wo die potenziellen Fahrgäste der Bahn zu finden sind. Die IRE Stuttgart-Lindau müssen Städte wie Esslingen, Plochingen, Göppingen und Geislingen/Steige bedienen. Die IRE Stuttgart-Lindau haben am Stuttgarter Flughafen nichts zu suchen. Der Stuttgarter Flughafen und der Filderbereich sind das ureigene Bedienungsgebiet für die S-Bahn. Die IRE Stuttgart-Lindau haben auch bei einem neuen Bahnhof auf der Schwäbischen Alb bei Merklingen nichts zu suchen.

Beim Regionalbahnhof Merklingen hat Verkehrsminister Hermann keine gute Figur gemacht
Diesbezüglich muss man den Landesverkehrsminister Hermann auch einmal kritisieren, weil er diesen Plänen zur Einrichtung eines Bahnhofs im Verlauf der NBS bei Merklingen auf der Schwäbischen Alb nicht entschieden genug entgegengetreten ist. Die Landesregierung befindet sich diesbezüglich allerdings in einer Falle. Die Führung der IRE-Züge über die NBS steht nicht im Einklang mit dem Regionalisierungsgesetz. Denn der Bahnhofsabstand zwischen Ulm und dem Stuttgarter Flughafen ist größer als 70 Kilometer. Das ist ein viel zu größer Bahnhofsabstand für den Regionalverkehr. Streng genommen darf das Land BW für einen solchen Regionalverkehr gar keine Regionalisierungsmittel des Bundes einsetzen.

Anstatt nun aber den IRE-Verkehr über die NBS zu stornieren, wirft das Land dem schlechten Geld noch weiteres, gutes Geld hinterher. Jetzt soll der Regionalbahnhof Merklingen gebaut werden und damit der Bahnhofsabstand zwischen Ulm und dem Stuttgarter Flughafen verringert werden. Durch diesen Trick sollen mit Ach und Krach doch noch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass es sich bei den IRE Stuttgart-Lindau über die NBS um Regionalverkehr handelt. 

Nun wird aber der IRE Stuttgart-Lindau ab Dezember 2016 erst mal über die Filstaltrasse laufen und im Stundentakt die Städte Esslingen, Plochingen, Göppingen und Geislingen/Steige bedienen. Es ist kaum vorstellbar, dass es sich diese Städte gefallen lassen, wenn nach einer Eröffnung der NBS die IRE Stuttgart-Lindau von der Filstalbahn abgezogen werden und auf die NBS geleitet werden. Von daher besteht Hoffnung, dass das Land seine fragwürdigen IRE-Pläne für die NBS doch noch aufgibt und die jetzt unter Landesverkehrsminister Hermann praktizierte erfolgreiche Bahnpolitik nicht in Frage stellt.    

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