Donnerstag, 4. September 2014

Die zehn größten Fehler der Stuttgarter S-Bahn können mit einer Durchmesserlinie nach Zürcher Vorbild geheilt werden

Stuttgart 21 löst die Probleme des Bahnknotens Stuttgart nicht. Vielmehr schickt Stuttgart 21 die Region Stuttgart und das System Eisenbahn in ein Himmelfahrtskommando mit ungewissem Ausgang. Das zeigt sich auch beim Thema der Stuttgarter S-Bahn. Im heutigen Post in diesem Blog geht es um die großen Fehler und Defizite der Stuttgarter S-Bahn. Stuttgart 21 kann diese Probleme nicht heilen. Der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart, der auch das Modul einer Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild beinhalten kann, ist sehr wohl in der Lage, substanzielle und massive Verbesserungen für die Stuttgarter S-Bahn zu bewirken.

Voraussetzung für das Verständnis des vorliegenden Artikels sind Kenntnisse über die Zürcher Durchmesserlinie sowie das mögliche Stuttgarter Pendant. In diesem Blog wurde die Zürcher Durchmesserlinie bereits mehrfach behandelt. Man lese hierzu zum Beispiel den Post vom 20.07.2014 "Die neue Zürcher Durchmesserlinie - das vernünftige Gegenstück zu Stuttgart 21" und den Post vom 25.08.2014 "Kombilösung oder Durchmesserlinie nach Zürcher Vorbild: Was ist die bessere Lösung für den Bahnknoten Stuttgart?"


Alle Bahnknoten in Europa werden etappierbar ausgebaut - mit Ausnahme des Bahnknotens Stuttgart, der zur Zeit immer noch von dem nicht etappierbaren Alles-oder-Nichts-Projekt Stuttgart 21 in Beschlag genommen wird. Ein Umschwenken auf den etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart und ein zukünftiger diesbezüglicher politischer und gesellschaftlicher Konsens bedeutet damit zwangsläufig die Abkehr von Stuttgart 21.

Vielleicht kann man 10 bis 15 Prozent von Stuttgart 21 in etwas geänderter Form auch im Rahmen des etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart verwenden. Ansonsten sind jedoch im Rahmen des etappierbaren Ausbaus neue Ausbau-Module gefragt. Für alle Module im Rahmen des etappierbaren Ausbaus gilt, dass sie eigenständig gebaut und in Betrieb genommen werden können. Sie müssen auch einen eigenständigen verkehrlichen Wert aufweisen. Keineswegs im Widerspruch dazu steht, dass bei jedem Modul die Aufwärtskompatibilität gewährleistet sein muss. Das heißt, dass jedes Modul zukünftige weitere mögliche Ausbau-Module nicht verunmöglichen darf.

Die Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild ist neunmal so gut wie Stuttgart 21
Wir haben bereits in mehreren Artikeln in diesem Blog gesehen, dass eine Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild ein interessantes Modul im Rahmen des etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart sein kann. Dieses Modul ist wiederum in Untermodule unterteilbar. Wir haben in diesem Blog auch die begründete These aufgestellt, dass eine Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild dreimal so gut ist wie die von SMA und Heiner Geißler vorgeschlagene Kombilösung für den Bahnknoten Stuttgart. Diese Kombilösung wiederum ist gemäß den Worten ihres Schöpfers - dem Alt-CEO der Firma SMA, Werner Stohler - dreimal so gut wie Stuttgart 21. Somit können wir ohne Zuhilfenahme eines Taschenrechners sagen, dass eine Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild für den Bahnknoten Stuttgart neunmal so gut ist wie Stuttgart 21.

Die mit der Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild verbundenen betrieblichen und verkehrlichen Aspekte sind äußerst vielfältig. Im heutigen Post soll es nur um einen Teilaspekt gehen, die Stuttgarter S-Bahn. Nachfolgend sollen die zehn größten Fehler und Defizite der Stuttgarter S-Bahn zur Sprache kommen. Bei jedem Punkt soll dann erörtert werden, wie der jeweilige Fehler bzw. das jeweilige Defizit mit einer neuen Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild beseitigt oder behoben werden kann.

1. Fehler: Das Netz der Stuttgarter S-Bahn ist viel zu klein     
Die Region Stuttgart hat unter den vier benachbarten und im Wettbewerb stehenden Regionen Stuttgart, München, Frankfurt/Main und Zürich das kleinste S-Bahnnetz. Die Netzlängen sehen wie folgt aus:
  • München: 442 Kilometer
  • Zürich: 380 Kilometer
  • Frankfurt/Main: 303 Kilometer
  • Stuttgart: 215 Kilometer
Die Einwohnerzahl darf hierbei nicht als Entschuldigung für die kleine Netzlänge der Stuttgarter S-Bahn herhalten. Denn die Einwohnerzahl der Region Stuttgart ist in etwa genauso groß wie die Einwohnerzahl der Regionen München und Frankfurt sowie größer als die Einwohnerzahl der Region Zürich.

Eine Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild für den Bahnknoten Stuttgart wird neben ca. vier Fernzügen pro Stunde und Richtung zunächst zwei Express-S-Bahnlinien (entspricht vier Zügen pro Stunde und Richtung) aufnehmen. Im Endausbau kann die Durchmesserlinie vier Express-S-Bahnlinien aufnehmen. Das entspricht acht Express-S-Bahn-Zügen pro Stunde und Richtung und damit insgesamt zwölf Zügen pro Stunde und Richtung.

Mit der Durchmesserlinie wird es somit möglich, für die Stuttgarter S-Bahn eine Strukturierung einzuführen mit einer Unterteilung in eine innere S-Bahn sowie in eine äußere Express-S-Bahn gemäß dem Vorbild der geplanten Zürcher S-Bahn 2G (S-Bahn 2. Generation) sowie nach dem Vorbild der zweiten Stammstrecke der Münchner S-Bahn. Die äußere Express-S-Bahn kann konkret zum Beispiel nach Kirchheim/Teck, nach Göppingen, nach Vaihingen/Enz, nach Calw oder nach Schwäbisch Gmünd fahren und hier zum Teil auch Funktionen der vom Land BW geplanten Metropol-Express-Züge übernehmen.

Die Durchmesserlinie führt zusammen mit der dadurch möglichen Erweiterung des S-Bahnnetzes nach außen sowie mit dem dadurch möglichen Betrieb einer Express-S-Bahn-Strecke vom Flughafen-Terminal nach Wendlingen/Plochingen, Nürtingen und Kirchheim/Teck zu einer Erweiterung des Stuttgarter S-Bahnnetzes um ca. 100 bis 150 Kilometer auf dann 315 bis 365 Kilometer (je nachdem wie viele und welche Außenäste man dem Express-S-Bahnsystem hinzufügt). Damit hat die Stuttgarter S-Bahn das Niveau der Netze in den Wettbewerberregionen in etwa erreicht.

2. Fehler: Auf vielen Abschnitten findet ein Mischbetrieb zwischen S-Bahnen und Regional-/Fernzügen statt
Der Mischbetrieb zwischen S-Bahnen und Regional-/Fernzügen oder Güterzügen ist eine wichtige Ursache für die Unpünktlichkeit der S-Bahn. Zudem schränkt der Mischbetrieb die Gestaltungsmöglichkeiten beim Fahrplan ein. Im Streckennetz der Stuttgarter S-Bahn gibt es nicht wenige Strecken mit Mischbetrieb. Allerdings darf man diese Strecken nicht alle über einen Kamm scheren. Der Grad der Behinderung der S-Bahn hängt von verschiedenen Größen ab. Dazu gehören die Länge der Mischbetriebsstrecke, der Unterschied bei den gefahrenen Geschwindigkeiten, die Taktfolge sowie das Bestehen bzw. Nichtbestehen von S-Bahnhaltepunkten innerhalb der Mischbetriebsstrecke.

Der Mischbetriebsabschnitt mit den wohl größten Auswirkungen auf den S-Bahnbetrieb ist der Abschnitt von Bad Cannstatt zum Hauptbahnhof. Dort fährt die S-Bahn während des Berufsverkehrs im 5-Minuten-Takt. Über die Gleise der S-Bahn fahren in diesem Abschnitt auch noch zwei Regionalzüge von/nach Tübingen pro Stunde und Richtung. Während der Spitzenstunde müssen sogar je ein Regionalzug aus Richtung Aalen und aus Richtung Backnang die Gleise der S-Bahn benutzen, weil die beiden Fern-/Regionalzuggleise ausgelastet sind. Künftige zusätzliche Züge können unter diesen Umständen in der Zufahrt Bad Cannstatt nicht verkehren.

Die Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild bringt eine zusätzliche Doppelspur für den Bahnknoten Stuttgart. Sie besteht aus dem fünften und sechsten Gleis der Zufahrt Bad Cannstatt sowie aus dem fünften und sechsten Gleis der Zufahrt Zuffenhausen, die über den Durchmesserbahnhof und den Durchmessertunnel direkt miteinander verbunden werden. Dadurch wird es möglich, dass die herkömmliche S-Bahn zwischen Bad Cannstatt und dem Hauptbahnhof ihre beiden Gleise nicht mehr mit anderen Zügen teilen muss. Über die restlichen vier Gleise der Zufahrt Bad Cannstatt fahren die Fernzüge, die Regionalzüge einschließlich der Metropol-Expresszüge sowie die Express-S-Bahnen. Die Zahl der Züge in der Zufahrt Bad Cannstatt kann gegenüber dem heutigen Zustand erhöht werden.

3. Fehler: Die Stammstrecke der S-Bahn ist überlastet
Die Überlastung einer Strecke kann ein zweierlei Hinsicht vorhanden sein. Es können zu viele Züge fahren oder es können zu viele Fahrgäste unterwegs sein. Den erstgenannten Aspekt lassen wir für die Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn erst mal nicht gelten. Denn im Verlauf der Stammstrecke der Münchner S-Bahn fahren mehr Züge als im Verlauf der Stuttgarter S-Bahn. Diesbezüglich könnte man durch eine Modernisierung des Signalisierungssystems im Verlauf der Stuttgarter Stammstrecke Verbesserungen erreichen.

Der zweite Aspekt mit zu vielen Fahrgästen ist wichtiger und bedarf einer näheren Betrachtung. Im Falle der Stuttgarter S-Bahn fahren viele Fahrgäste im Verlauf der Stammstrecke, die dort weder Quelle noch Ziel ihrer Fahrt haben. Das hat seine Ursache unter anderem darin, dass die Stuttgarter S-Bahn die beiden wichtigsten Zufahren zum Stuttgarter Hauptbahnhof nicht direkt miteinander verbindet. Eine weitere Ursache ist die bisher fehlende Durchbindung der S-Bahn auf den Fildern.

Hier schafft der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart mit dem Modul einer Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild vielfache Abhilfe. Viele Fahrten, die heute noch über die Stammstrecke der S-Bahn laufen, werden zukünftig über die Fildern oder über die Durchmesserlinie führen.

Beispiele:
Göppingen - Flughafen: heute über die Stammstrecke, zukünftig über die Fildern
Kirchheim/Teck - Vaihingen: heute über die Stammstrecke, zukünftig über die Fildern
Nürtingen - Universität: heute über die Stammstrecke, zukünftig über die Fildern
Esslingen - Ludwigsburg: heute über die Stammstrecke, zukünftig über die Durchmesserlinie
Bad Cannstatt - Zuffenhausen: heute über die Stammstrecke, zukünftig über die Durchmesserlinie   

4. Fehler: Der Haltepunkt Hauptbahnhof der S-Bahn ist unterdimensioniert
Der Haltepunkt Hauptbahnhof der S-Bahn ist zur Zeit der Haltepunkt mit der größten Zahl an ein- und aussteigenden Fahrgästen im S-Bahnnetz. Damit ist dieser Haltepunkt die maßgebende Größe für die mögliche Zugfolge im Verlauf der Stammstrecke und damit die Leistungsfähigkeit der Stammstrecke.

In den S-Bahnnetzen der mit Stuttgart im Wettbewerb stehenden Regionen wurde dieser Sachverhalt frühzeitig erkannt. Deshalb hat man dort den Haltepunkt Hauptbahnhof der S-Bahn großzügig ausgebaut. In Zürich und in Frankfurt/Main ist der Haltepunkt Hauptbahnhof im Verlauf der ersten Stammstrecke der S-Bahn jeweils viergleisig. In München hat man das spanische System angewandt (getrennte Bahnsteige für die ein- und aussteigenden Fahrgäste).

Im Stuttgarter S-Bahnnetz hat man den Haltepunkt Hauptbahnhof der ersten Stammstrecke nicht besonders ausgebaut. Nachträgliche Ausbauten sind wohl technisch unmöglich. Das gilt sowohl für ein drittes Gleis, als auch für ein zusätzliches Stockwerk für eine der beiden Fahrtrichtungen, als auch für einen zusätzlichen Bahnsteig, um ein- und aussteigende Fahrgäste zu trennen.

Mit einer Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild werden nachträgliche Ausbauten des Haltepunkts Hauptbahnhof der ersten Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn überflüssig. Die Express-S-Bahnen der Durchmesserlinie werden fast jeglichen Übereck-Umsteigeverkehr vom Haltepunkt Hauptbahnhof wegnehmen und ihn entweder direkt abwickeln oder ihn über die Subknoten Bad Cannstatt und Zuffenhausen abwickeln. Damit reduziert sich die Zahl der am Haltepunkt Hauptbahnhof der S-Bahn ein- und aussteigenden Fahrgäste merklich, so dass die Haltepunktsaufenthaltszeiten der herkömmlichen S-Bahn verkleinert werden können.

5. Fehler: Die wichtigste Bahnstrecke Württembergs wird nicht durchgehend befahren; die zweit- und drittgrößte Stadt der Region Stuttgart werden nicht direkt miteinander verbunden; die beiden wichtigen Subknoten Bad Cannstatt und Zuffenhausen werden nicht direkt miteinander verbunden
Die Bahnstrecke mit den Bahnhöfen Plochingen - Esslingen - Bad Cannstatt - Hauptbahnhof - Zuffenhausen - Ludwigsburg - Bietigheim kann man als die wichtigste Bahnstrecke von Württemberg bezeichnen. Nicht ohne Grund war die Strecke von (Ulm) - Plochingen nach Bietigheim - (Heilbronn) die erste durchgehende württembergische Eisenbahnstrecke. Der Abschnitt von Bad Canstatt nach Esslingen wurde im Jahr 1845 als erste Eisenbahnstrecke in Württemberg in Betrieb genommen.

Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass man die wichtigste Eisenbahnstrecke Württembergs nicht durchgehend befahren kann. Sowohl mit der S-Bahn als auch mit dem Regionalzug muss man jeweils im Stuttgarter Hauptbahnhof umsteigen. Im Weiteren gibt es keine direkte Verbindung zwischen der zweitgrößten Stadt der Region Stuttgart (Esslingen) und der drittgrößten Stadt der Region Stuttgart (Ludwigsburg). (Beide Städte haben übrigens fast genau gleich viele Einwohner). Ebenfalls gibt es keine direkte Verbindung zwischen den wichtigen Stuttgarter Subknoten Bad Cannstatt und Zuffenhausen.

Eine Durchmesserlinie gemäß dem Zürcher Vorbild im Kontext eines etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart geht auf alle diese Defizite ein. Bereits in der ersten Betriebsstufe mit zwei Express-S-Bahnlinien gibt es den Viertelstundentakt im Verlauf der Strecke Plochingen - Esslingen - Bad Cannstatt - Hauptbahnhof (Durchmesserbahnhof) - Zuffenhausen - Ludwigsburg - Bietigheim. Ebenso werden die Städte Esslingen und Ludwigsburg sowie die Subknoten Bad Cannstatt und Zuffenhausen im Viertelstundentakt direkt miteinander verbunden. 

Die Express-S-Bahn hält übrigens in Zuffenhausen. Ein Kriterium für den Halt der Express-S-Bahn ist, dass sie mindestens überall dort halten muss, wo es Streckenverzweigungen gibt. Das ist in Zuffenhausen der Fall.

Es könnte nun die Frage aufkommen, ob eine direkte Verbindung zwischen den beiden Städten Esslingen und Ludwigsburg über die Güterzugumgehungsbahn (Schusterbahn) eingerichtet werden kann. Das würde sich nicht rechnen. Es läge hier eine tangentiale S-Bahn-Verbindung vor mit allen ihren Nachteilen, die an anderer Stelle in diesem Blog bereits beschrieben worden sind.

Eine weitere Frage könnte sein, ob eine direkte Verbindung zwischen Bad Cannstatt und Zuffenhausen durch eine neue Strecke unter dem Rosensteinpark zwischen Bad Cannstatt und Nordbahnhof hergestellt werden kann. Auch hier läge eine tangentiale S-Bahnverbindung vor. Alle S-Bahnverbindungen, die nicht über den zentralen Bahnknoten Hauptbahnhof führen, haben wirtschaftliche und betriebliche Probleme, weshalb man davon Abstand nehmen sollte.

6. Fehler: Die beiden wichtigsten Zufahrten zum Hauptbahnhof werden nicht direkt miteinander verbunden; die Streckenäste auf beiden Seiten der Stammstrecke sind beim Fahrtenaufkommen nicht gleichwertig
Als einziges S-Bahnnetz weltweit weist die Stuttgarter S-Bahn ein extremes Ungleichgewicht zwischen den Außenästen auf beiden Seiten der Stammstrecke auf. Auf der Süd- und Westseite der Stammstrecke gibt es nur zwei Außenäste. Auf der Nord- und Ostseite der Stammstrecke gibt es dagegen sechs Außenäste. Hauptgrund dafür ist, dass die Stuttgarter S-Bahn die beiden wichtigsten Zufahrten zum Hauptbahnhof - die Zufahrten Bad Cannstatt und Zuffenhausen - nicht direkt miteinander verbindet. 

Das Ungleichgewicht bei den Außenästen auf beiden Seiten der Stammstrecke führt dazu, dass die Hälfte aller S-Bahnlinien im Verlauf der Stammstrecke nicht durchgebunden werden kann. Die Hälfte aller S-Bahnzüge muss in Stuttgart mitten auf der Stammstrecke enden und wenden. Eine weiterer Teil der S-Bahnzüge muss in S-Vaihingen enden und wenden. Da dies bei dem dichten Takt der Stammstrecke nicht mit Hilfe des Kopfmachens am Bahnsteig oder in einem Wendegleis möglich ist, musste für das Wenden der S-Bahnzüge eine 1,5 Kilometer lange unterirdische Wendeschleife beim S-Bahnhaltepunkt Schwabstraße gebaut werden. Das ist ein weltweites Unikum, vielleicht ein Exkursionsziel für Bahnwissenschaftler, auf das man aber keineswegs stolz sein kann.

Die neue Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild macht Schluss mit dem Ungleichgewicht bei den Zulaufstrecken. Denn diese Durchmesserlinie verbindet die beiden wichtigsten Zulaufstrecke des Hauptbahnhofs direkt miteinander. Bereits in der ersten Betriebstufe mit zwei Express-S-Bahnlinien wird ein Gleichgewicht bei den Zuläufen auf beiden Seiten der Durchmesserlinie herrschen. Dieses Gleichgewicht wird auch im Endzustand mit vier Express-S-Bahnlinien und acht Außenästen bestehen.   

7. Fehler: Der Flughafen wird nur mit einem schlechten 10/20-Minuten-Stottertakt bedient
Ein Stottertakt ist für Reisende mit Terminen - aber eigentlich für alle Reisenden - etwas ganz, ganz Schlechtes. Diese Reisenden müssen bei ihrer Terminplanung stets vom worst-case-Szenario ausgehen. Und das heißt, dass sie damit rechnen müssen, nach der Ankunft am Stuttgarter Flughafen und dem Hinabsteigen zum S-Bahnhof bis zu 20 Minuten auf die nächste S-Bahn warten zu müssen.

Groß- und Weltstädte wie München und Hamburg haben längst den durchgehenden 10-Minuten-Takt für die S-Bahn zwischen dem Flughafen und dem Hauptbahnhof. Das lässt sich in Stuttgart ebenfalls mit vertretbarem Aufwand einrichten.

Der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart mit dem Modul der Durchmesserlinie erlaubt es, den bestehenden zweigleisigen Bahnhof Flughafen-Terminal und die bestehende S-Bahnstrecke zwischen Flughafen und Vaihingen unangetastet zu lassen. Das erlaubt es, die großen betrieblichen und verkehrlichen Reserven des Bahnhofs und der Strecke zu nutzen und eine dritte S-Bahnlinie (eine Express-S-Bahnlinie vom Hauptbahnhof über S-Vaihingen zum Flughafen) einzurichten. Zusammen mit den beiden bestehenden herkömmlichen S-Bahnlinien wird dadurch ein 10-Minuten-Takt zwischen dem Flughafen und dem Hauptbahnhof möglich. 
 
8. Fehler: Der Flughafen ist ungenügend mit der Region Stuttgart und dem Bahnnetz von BW verbunden
Derzeit ist der Flughafen nur über eine S-Bahnstrecke mit dem Bahnnetz von Baden-Württemberg verbunden. Die Fahrzeit zum derzeit einzigen Umsteigeknoten Hauptbahnhof ist relativ lang. 

Im Rahmen eines etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart steht die neue Bahnstrecke vom Flughafen nach Wendlingen exklusiv für die S-Bahn zur Verfügung. Dadurch wird es möglich, alle drei am Flughafen zukünftig verkehrenden S-Bahnlinien im Bahnhof Flughafen-Terminal durchzubinden und nach Wendlingen-Plochingen bzw. nach Kirchheim/Teck bzw. nach Nürtingen weiterzuführen.

Damit wird die Anbindung des Flughafens an die Region Stuttgart sowie an das Bahnnetz von BW entscheidend verbessert - mit einem gegenüber Stuttgart 21 minimalen Investitionsbetrag. Einige Verbindungen sind sogar zukünftig schneller als bei Stuttgart 21.

9. Fehler: Die Fahrzeit mit der S-Bahn zwischen den äußeren Bereichen der Region Stuttgart (z.B. Kirchheim/Teck) und dem Hauptbahnhof/Zentrum ist zu lang
Die S-Bahnstrecke nach Kirchheim/Teck stellt bereits einen Grenzfall der Führung der S-Bahn in die äußere Region Stuttgart dar. Denn die S-Bahn, die ja an allen Haltepunkten anhält, benötigt zwischen Kirchheim/Teck und dem Hauptbahnhof relativ lange, so lange, dass die S-Bahn für manche Reisenden bereits wieder unattraktiv wird.

Eine Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild bringt auch bei diesem Punkt Abhilfe. Die Durchmesserlinie ermöglicht die Führung von bis zu vier Express-S-Bahnlinien - das sind dann vier mal zwei gleich acht Außenäste für die Express-S-Bahn. Im konkreten Fall Kirchheim/Teck würde die herkömmliche S-Bahnlinie S1 nur noch bis Plochingen fahren. Nach Kirchheim/Teck fährt die neue Express-S-Bahn S11. Sie hält zwischen Kirchheim/Teck und Plochingen an allen Haltepunkten. Zwischen Plochingen und dem Hauptbahnhof (Durchmesserbahnhof) fährt die S11 als Express-S-Bahn und hält nur in Esslingen und Bad Cannstatt. Damit werden die Fahrzeiten zwischen Kirchheim/Teck und dem Hauptbahnhof wieder attraktiv.

Was für den Außenast bis Kirchheim/Teck richtig ist, kann mit Hilfe der Express-S-Bahn und der neuen Durchmesserlinie für bis zu sieben weitere Außenäste eingerichtet werden. Das können zum Beispiel die folgenden Außenäste sein: nach Göppingen, nach Nürtingen-Tübingen, nach Leonberg-Calw, nach Bietigheim-Vaihingen/Enz, nach Bietigheim-Heilbronn, nach Schwäbisch Gmünd-Aalen, nach Schwäbisch Hall.    

10. Fehler: Leonberg und sein Hinterland befinden sich im S-Bahn-Verkehrsschatten
Die Luftlinienentfernung zwischen dem Bahnhof von Leonberg und dem Stuttgarter Hauptbahnhof beträgt 12 Kilometer. Die Bahnstrecke zwischen beiden Bahnhöfen ist 21 Kilometer lang. Das hat seine Ursache in der umwegigen Führung der Württembergischen Schwarzwaldbahn über Zuffenhausen. Auf der Straße dagegen ist Leonberg hervorragend angebunden (Autobahndreieck Leonberg, Wildparkstraße nach Stuttgart). Die schlechte Bahnanbindung Leonbergs hat Auswirkungen auch auf das Hinterland von Leonberg bis in den Nordschwarzwald.

Auch bei diesem Punkt bringt eine Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild Verbesserungen. Im Rahmen eines weiteren Ausbaumoduls lässt sich die Württembergische Schwarzwaldbahn ab Ditzingen an die Durchmesserlinie anbinden - mittels einer Führung entlang der B 295-Umfahrung Weilimdorf und durch einen Anschlusstunnel unter dem Kräherwald. Damit wird es möglich, die herkömmliche S-Bahnlinie S6 dauerhaft nur bis Weil der Stadt zu fahren. Ansonsten gibt es eine zusätzliche Express-S-Bahn, die vom Durchmesserbahnhof direkt nach Ditzingen fährt und dann mit den Halten Leonberg und Weil der Stadt weiter in Richtung Calw fährt.

Fazit
Der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart, von dem die Durchmesserlinie nach dem Zürcher Vorbild ein Teil ist, bringt die Region Stuttgart zurück in die Gemeinschaft der europäischen Regionen, die alle ihre Bahnknoten etappierbar ausbauen. Der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart ist auch ein Bekenntnis zur Zukunft der Bahn sowie zu einer zukünftig wichtigeren Rolle der Bahn. Sobald Stuttgart 21 gestoppt ist, kann mit den ersten Modulen des etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart begonnen werden.               

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