Sonntag, 22. Juni 2014

Rastatter Tunnel zeigt: Stuttgart 21-Bauzeitenpläne sind Makulatur

Was ist eigentlich von den Bauzeitenplänen von Stuttgart 21 zu halten? Ist eine Inbetriebnahme von Stuttgart 21 im Jahr 2021, wie es derzeit verkündet wird, realistisch? Oder muss man damit rechnen, dass Stuttgart 21 frühestens im Jahr 2025 oder im Jahr 2030 oder noch später in Betrieb geht, wenn nicht noch die Vernunft obsiegt und das Projekt gestoppt wird? 

Um die Bauzeitenpläne von Stuttgart 21 überschlägig zu bewerten, ist es nicht erforderlich,  eine Professur in Baubetriebslehre zu haben. Es ist hierfür ausreichend, mit durchschnittlichen Alltagskenntnissen an Hand eines Vergleichs mit einem anderen Projekt eine Plausibilitätsabschätzung durchzuführen. Das wollen wir heute tun. Als Vergleichsprojekt wählen wir den Rastatter Tunnel im Verlauf der Rheintalbahn. Dieser Tunnel ist seit einiger Zeit im Bau. Die Bauzeitenpläne zum Rastatter Tunnel sind für die Öffentlichkeit verfügbar, zum Beispiel bei wikipedia.   


Der Rastatter Tunnel - ein wichtiger Mosaikstein des Ausbaus der Rheintalbahn - ist seit dem 30. Juli 2013 im Bau. Im Gegensatz zu Stuttgart 21 ist der Rastatter Tunnel ein Projekt des Bundes, der dieses Projekt auch vollumfänglich finanziert. Die Notwendigkeit des Tunnels ist allgemein und überall anerkannt. Es braucht zum Bau des Rastatter Tunnels keine milliardenteuren Zuzahlungen Dritter, z.B. des Landes oder der Gemeinden oder eines Flughafens.

Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass der Bauzeitenplan für den Rastatter Tunnel relativ realistisch ist. Denn für diesen Tunnel muss keine Werbung in der Öffentlichkeit gemacht werden. Einen Sprecher - wie Wolfgang Dietrich bei Stuttgart 21 -  braucht es für den Rastatter Tunnel nicht. Es gibt beim Rastatter Tunnel auch keine Notwendigkeit, die Bauzeitenpläne in erster Linie daran auszurichten, was der Politik gefällt.

In erster Näherung kann man somit den Bauzeitenplan des Rastatter Tunnels als Referenz heranziehen, um die Bauzeitenpläne anderer Projekte zu überprüfen. Das gilt insbesondere für das wohl umstrittenste Bahnprojekt Europas, Stuttgart 21.

Der Vergleich zwischen dem Rastatter Tunnel und Stuttgart 21 trifft mehrere Annahmen zu Gunsten von Stuttgart 21
Bei der Überprüfung der Bauzeitenpläne von Stuttgart 21 an Hand der Bauzeitenpläne des Rastatter Tunnels wollen wir mehrere Annahme zu Gunsten von Stuttgart 21 treffen. Die erste Annahme zu Gunsten von Stuttgart 21 besteht darin, dass wir ausschließlich den Fildertunnel von Stuttgart 21 betrachten. Wir nehmen einfach mal an, dass Stuttgart 21 nur aus dem Fildertunnel besteht. Das kann man in erster Annäherung deshalb so machen, weil bei Stuttgart 21 die verschiedenen Tunnels ja teilweise gleichzeitig im Bau wären. Wegen der Komplexität von Stuttgart 21 müsste man gleichwohl zur Bauzeit des Fildertunnels einen Komplexitätszuschlag hinzufügen. Auf diesen Komplexitätszuschlag verzichten wir jetzt mal zu Gunsten von Stuttgart 21. 

Wir treffen noch eine zweite Annahme zu Gunsten von Stuttgart 21. Wir nehmen an, dass es im Verlauf des Fildertunnels nur ein einziges Gestein gibt - wie das beim Rastatter Tunnel der Fall ist. Beim Rastatter Tunnel werden die Tunnelbohrmaschinen einen im Grundwasser liegenden sandig-kiesigen Untergrund antreffen. Im Verlauf des Fildertunnels liegen gänzlich andere Verhältnisse vor. Dort trifft die Tunnelbohrmaschine von oben nach unten verschiedene Gesteine an, fast alle Gesteine der Keuperformation des Südwestdeutschen Schichtstufenlands. Das beginnt auf den Fildern erst mal mit der untersten Juraschicht, dem Schwarzjura Alpha. Dann folgt als erste Keuperschicht lokal begrenzt der Rätsandstein. Darauf folgt der zu Rutschungen und Quellungen neigende Knollenmergel. Darauf kommt der harte Stubensandstein. Dann folgen die Oberen Bunten Mergel. Sie werden abgelöst vom Kieselsandstein. Dann kommen die Unteren Bunten Mergel. Darunter steht der harte Schilfsandstein an, der ja in früheren Jahrhunderten ein äußerst beliebter Baustein in Stuttgart war. Schließlich kommt das wohl inzwischen bekannteste Gestein der Keuper-Formation, der Gipskeuper. Lediglich das unterste Gestein der Keuperformation, der Lettenkeuper, wird im Fildertunnel nicht angeschnitten.

Diese unterschiedlichen Gesteine im Verlauf des Fildertunnels werden an die Tunnelbohrmaschine ganz unterschiedliche Anforderungen stellen. Das hat Auswirkungen auf die Geschwindigkeit des Vortriebs. Einige Gesteine sind sogar gänzlich ungeeignet für Tunnelbohrmaschinen. Deshalb muss im Fildertunnel trotz des Einsatzes einer Tunnelbohrmaschine ein bestimmter Anteil des Tunnels sogar ohne Tunnelbohrmaschine aufgefahren werden. All dies würde bei einem Vergleich der Bauzeitenpläne zwischen dem Rastatter Tunnel und dem Fildertunnel noch mehr zu Ungunsten des Fildertunnels sprechen. Aber das alles werden wir hier nicht berücksichtigen.

Und wir treffen sogar noch eine dritte Annahme zu Gunsten von Stuttgart 21. Gemäß den Angaben in der wikipedia wird der Rastatter Tunnel von zwei Tunnelbohrmaschinen zum Teil gleichzeitig aufgefahren. Nicht so im Fildertunnel. Dort gibt es nur eine Tunnelbohrmaschine. Sie wird zunächst einen der beiden Tunnel zu einem Teil auffahren und dann über eine Wendekaverne in den zweiten Tunnel hinüberwechseln, um diesen aufzufahren. Auch diese Sache, die sehr zu Ungunsten des Fildertunnels bzw. von Stuttgart 21 spricht, lassen wir einfach unter den Tisch fallen.

Jetzt kommen wir aber zum konkreten Vergleich. 
Beim Rastatter Tunnel sollen der Tunnelvortrieb sowie der Rohbau von 2015 bis 2018 dauern. Das sind somit vier Jahre. Der Rastatter Tunnel besteht aus zwei Röhren von je 4.270 Metern. Der Fildertunnel besteht ebenfalls aus zwei Röhren mit einer Länge von je 9.468 Metern. Somit ist der Fildertunnel um den Faktor 2,2 länger als der Rastatter Tunnel. Nehmen wir mal zu Gunsten von Stuttgart 21 an, dass der Tunnelvortrieb im Fildertunnel im Sommer 2014 begänne, dann vergehen bis zur Fertigstellung des Rohbaus 4 Jahre mal 2,2 gleich 8,8 Jahre. Jetzt machen wir bereits eine fünfte Annahme zu Gunsten von Stuttgart 21. Wir runden die für den Fildertunnel ermittelten Bauzeiten einfach auf ganze Jahre ab. Somit vergehen bis zur Fertigstellung des Rohbaus 8 Jahre. Der Rohbau des Fildertunnels wäre somit im Sommer 2020 fertig.

Jetzt kommt als Nächstes der Bau der Streckenausrüstung. Dazu gehören zum Beispiel die Gleise, die Zugsicherungseinrichtungen einschließlich der Signale, die Beleuchtung, die Belüftung, die Entlüftung, die Fahrleitung, die Türen, die Einrichtungen zur Brandbekämpfung und zur Entrauchung, die Sicherheitshinweise, die Betriebsräume und die Alarmanlagen und vieles andere mehr. Hierfür sind beim Rastatter Tunnel die Jahre 2019 und 2020 geplant. Beim Fildertunnel dauert die Streckenausrüstung somit 2 Jahre mal 2,2 gleich 4,4 Jahre, abgerundet 4 Jahre. Das ginge dann bis zum Sommer 2024.

Als nächstes stehen jetzt die Testfahrten an. Diese sind beim Rastatter Tunnel für das Jahr 2021 geplant. Beim Fildertunnel stünden die Testfahrten von Sommer 2024 bis Sommer 2025 an. Der Rastatter Tunnel soll 2021 in Betrieb gehen. Die Inbetriebnahme des Fildertunnels wäre demnach im Dezember 2025 - allerdings nur, wenn zu diesem Zeitpunkt auch alle anderen Teile von Stuttgart 21 fertig sind. Denn Stuttgart 21 ist ein Alles oder Nichts-Projekt. Es kann nur als Ganzes in Betrieb genommen werden.

Zusammenfassung
Ein Vergleich der Bauzeitenpläne des Rastatter Tunnels und von Stuttgart 21 zeigt, dass die für Stuttgart 21 veröffentlichten Bauzeitenpläne Makulatur sind. Werden bei diesem Vergleich zahlreiche Annahmen zu Gunsten von Stuttgart 21 getroffen, ist mit einer Inbetriebnahme von Stuttgart 21 frühestens Ende 2025 zu rechnen. Werden jedoch die Annahmen zu Gunsten von Stuttgart 21 weggelassen und führt man den Vergleich unter Berücksichtigung der jeweils vor Ort vorhandenen Besonderheiten durch, dürfte wohl als frühester Inbetriebnahmetermin von Stuttgart 21 das Jahr 2030 stehen.       
    

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