Sonntag, 16. März 2014

Die neuen Metropol-Express-Züge ab 2016 und die Folgen für Stuttgart 21

Ab Ende 2016 will die baden-württembergische Landesregierung das neue Konzept der Metropol-Express-Züge für die Metropolregion Stuttgart einführen. Das hat Verkehrsminister Hermann in einer Pressemitteilung vom 13.02.2014 angekündigt.

Im vorangeganenen Post in diesem Blog haben wir das Konzept der Metropol-Express-Züge mit dem Regionalverkehrskonzept von Stuttgart 21 verglichen. Hierbei haben wir festgestellt, dass das Konzept der Metropol-Express-Züge besser und flexibler ist als der Regionalverkehr beim Projekt Stuttgart 21. Im heutigen Post wollen wir die Auswirkungen des neuen Konzepts der Metropol-Express-Züge auf Stuttgart 21 näher betrachten. 


Eine ganze Generation wurde um ein besseres Zugangebot betrogen
An oberster Stelle der Agenda steht jetzt die Frage aller Fragen: Wenn das neue Konzept der Metropol-Express-Züge mit dem Halbstundentakt im Regionalverkehr von Stuttgart nach Geislingen/Steige, Tübingen, Horb am Neckar, Pforzheim, Heilbronn, Schwäbisch Hall-Hessental und Aalen bereits ab 2016, also auf der Basis des Stuttgarter Kopfbahnhofs eingeführt werden soll, warum hat man dann dieses Konzept nicht bereits zum Beispiel im Jahr 1994 eingeführt? Warum mussten die Einwohner der Metropolregion Stuttgart zwanzig oder mehr Jahre warten, bis es dieses attraktive Regionalverkehrsangebot gibt? Warum hat man eine ganze Generation um ein besseres Regionalverkehrsangebot betrogen?

Selbstverständlich wäre es möglich gewesen, das jetzt in Aussicht gestellte Zugangebot mit den Metropol-Express-Zügen bereits in den Achtziger Jahren oder Neunziger Jahren einzuführen. Das hätte man garantiert auch gemacht, hätte der Bahnknoten Stuttgart eine ähnliche Entwicklung genommen wie die überwiegende Mehrzahl aller Bahnknoten in Europa, nämlich einen etappierbaren Ausbau.

Leider war dies dem Bahnknoten Stuttgart in den vergangenen Jahrzehnten nicht vergönnt. Denn eine Schnapsidee, ein Alles-oder-Nichts-Projekt, genannt Stuttgart 21, drang aus dem Experimentierraum der Hochschule hinaus zur Landes-CDU und wurde dort dankbar aufgenommen. Dieses Projekt entsprach der Gemütslage der Landes-CDU, die dadurch geprägt war, dass man stets neidisch auf die prachtvollen Gebäude, Denkmäler und Boulevards in München schielte und sich fragte, warum man das in Württemberg nicht auch fertigbrachte. Ein Großprojekt, ein Alles-oder-Nichts-Projekt, sollte es nun richten und die Württemberger wieder auf eine Stufe mit den Bayern oder mit Österreich oder mit der Schweiz stellen. Dass Stuttgart 21 freilich nur eine Lachnummer ist, die gerade in Bayern, in Österreich und in der Schweiz dankend abgelehnt wurde, ließ die CDU freilich nicht an sich heran.

Sobald Stuttgart 21 eine politische Sache wurde, war es mit etappierbar umzusetzenden Verbesserungen beim Bahnknoten Stuttgart vorbei. Auf gar keinen Fall durfte man auf die Idee kommen, ein Konzept wie die Metropol-Express-Züge einzuführen. Denn es musste auf Teufel komm raus der Eindruck erweckt werden, dass Stuttgart 21 Verbesserungen für die Fahrgäste der Bahn bringt. Hätte man die Metropol-Express-Züge eingerichtet, hätte sich Mancher wohl gefragt, wozu man denn dann noch Stuttgart 21 bräuchte. Man braucht auch kein Hellseher zu sein, um festzustellen, dass das Konzept der Metropol-Express-Züge ab 2016 nicht eingerichtet werden würde, wäre die CDU in BW gerade an der Macht.

Damit entlarvt sich Stuttgart 21 als ein feudales Projekt, ein Feldherrenprojekt, ein Pyramidenprojekt, das nur für sich selbst und für einige Wenige, die sich davon Profite versprechen, da ist. Der Normalfall im Verkehrswesen geht so, dass man zunächst die Fahrtwünsche im öffentlichen Verkehr ermittelt und dann versucht, diese Fahrtwünsche mittels bestimmter baulicher und betrieblicher Maßnahmen möglichst gut zu erfüllen. Bei Stuttgart 21 verhält es sich genau andersherum. An erster Stelle steht das Projekt und dessen Umsetzung. Dem muss sich alles unterordnen. Das geht so weit, dass eine ganze Generation von Einwohnern in der Metropolregion Stuttgart auf ein besseres Regionalzugangebot verzichten musste. Ein Skandal!

Der Verband Region Stuttgart muss den Ball von Verkehrsminister Hermann jetzt aufnehmen
Die ab 2016 geplanten Metropol-Express-Züge werden unter anderem die Bahnknoten Wendlingen, Plochingen, Nürtingen, Vaihingen und Hauptbahnhof jeweils mit einer oder mit mehreren Linien im Halbstundentakt bedienen. Diese fünf Bahnknoten wurden hier in diesem Blog bereits in vielen Artikeln als die potenziellen Andockstellen für eine Express-S-Bahn identifiziert, die den Flughafen auf schnellst- und kürzestmöglichem Weg an das Bahnnetz von ganz BW anbindet. (zuletzt im Post vom 23.02.2014)

Die Einrichtung einer Express-S-Bahn vom Flughafen zu den Bahnknoten Wendlingen, Plochingen, Nürtingen, Vaihingen und Hauptbahnhof ist somit eine nicht nur sinnvolle, sondern absolut notwendige Ergänzung zum Konzept der Metropol-Express-Züge. Zur Zeit ist der Verband Region Stuttgart für die S-Bahn zuständig. Es ist somit jetzt die Aufgabe und die Pflicht des Verbands Region Stuttgart, den Ball von Verkehrsminister Hermann aufzunehmen und die Planung sowie den Bau der Express-S-Bahn ab/bis Flughafen in die Wege zu leiten. 

Der Verband Region Stuttgart muss als Konsequenz jetzt sein Engagement für Stuttgart 21 eindampfen und statt dessen die Express-S-Bahn vom Flughafen zu den Bahnknoten Wendlingen, Plochingen, Nürtingen, Vaihingen und Hauptbahnhof vorantreiben. Es dürfte inzwischen bekannt sein, dass diese Express-S-Bahn zwei Stuttgart 21-Elemente übernimmt (Strecke vom Flughafen entlang der A8 bis Wendlingen sowie Wendlinger Kurve). Damit wird es für den Verbnd Region Stuttgart beim Übergang von Stuttgart 21 hin zum Konzept der Metropol-Express-Züge, ergänzt um das Konzept der Express-S-Bahn zum Flughafen, keine Reibungsverluste geben.

Eine Zuständigkeit des Verbands Region Stuttgart für die S-Bahn in der Region Stuttgart ist nur sinnvoll, wenn dies für die Einwohner der Region Stuttgart, für die S-Bahn und für den öffentlichen Verkehr in der Region Stuttgart nachweisbare Vorteile bringt. Die Zuständigkeit des Verbands Region Stuttgart für die S-Bahn ist kein Selbstzweck. Sollte sich der Verband Region Stuttgart sträuben, den Weg von Verkehrsminister Hermann mitzugehen, muss ernsthaft eine Rückabwicklung der Zuständigkeiten für die Stuttgarter S-Bahn zurück vom Verband Region Stuttgart hin zum Land Baden-Württemberg in Betracht gezogen werden. Das scheint allein schon aus dem fachlichen Grund erwägenswert zu sein, weil es zwischen den Metropol-Express-Zügen (Zuständigkeit BW) und der S-Bahn (Zuständigkeit Verband Region Stuttgart) vielfache Schnittpunkte gibt.

Die Investitionsschwerpunkte verlagern sich
Die Einführung des Konzepts der Metropol-Express-Züge ab 2016 zieht eine Änderung bei den Investitionen in den Schienenverkehr in der Region Stuttgart nach sich. Jetzt müssen diejenigen Streckenabschnitte, bei denen sich die Regionalzüge, die S-Bahnen und die Fernzüge die Gleise teilen, sowie diejenigen Abschnitte, die teilweise eingleisig sind, näher unter die Lupe genommen werden. 

Die knappen Finanzmittel dürfen nun nicht mehr dafür verwendet werden, einen funktionierenden Bahnknoten abzureisen und durch einen Engpass unter der Erde zu ersetzen. Statt dessen müssen nun Engpässe im Streckennetz identifiziert und mit gezielten Investitionen beseitigt werden.

Konkret ist davon zum Beispiel die Strecke von Backnang nach Schwäbisch Hall-Hessental betroffen. Diese Strecke ist eingleisig mit einigen Kreuzungsbahnhöfen. Für diese Strecke ist zu prüfen, ob der Halbstundentakt mit Metropol-Express-Zügen sowie ein vom Verkehrsministerium vor wenigen Wochen angekündigtes Zusatzangebot mit schnellen Regionalzügen von Stuttgart nach Nürnberg die Verlegung eines zweiten Gleises zumindest auf Abschnitten der Strecke erfordert.

Die Strecke von Waiblingen nach Schorndorf ist ebenfalls auf eventuelle Engpässe zu prüfen. Dort fahren die S-Bahnen, die Metropol-Express-Züge und der Fernverkehrs-IC auf denselben Gleisen. Hier könnte der abschnittsweise Bau eines dritten Gleises erforderlich werden.

Die Strecke von Plochingen über Göppingen nach Geislingen/Steige teilen sich die Metropol-Express-Züge, die schnelleren Regionalzüge, die Güterzüge und die Fernzüge. Auch für diese Strecke ist zu prüfen, ob weitere Überholgleise oder der abschnittsweise Bau eines dritten Gleises erforderlich werden.

Auch für die Strecke von S-Rohr nach Herrenberg, wo sich die S-Bahn, die Metropol-Express-Züge und der IC die Gleise teilen, sind Ausbaumaßnamen wie zum Beispiel das abschnittsweise dritte Gleis zu prüfen. 

Diese Investitionen in die Erhöhung der Kapazität der Zulaufstrecken sind der Einstieg in den etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart. Eine zwingende Folge dieser Umorientierung bei den Investitionsschwerpunkten für den Bahnknoten Stuttgart ist der sofortige Stopp von Stuttgart 21. Auch das Verkehrsministerium BW muss sich fragen lassen, ob es mit der Ankündigung der Metropol-Express-Züge nur einen Schritt zurück aus der falschen Richtung machen will, oder ob die Metropol-Express-Züge nicht zum Anlass genommen werden müssen, die richtige Richtung einzuschlagen - und die heißt: "Stopp von Stuttgart 21 und stattdessen etappierbarer Ausbau des Bahnknotens Stuttgart".

Im folgenden Post in diesem Blog (Post vom 23.03.2014) wollen wir das neue Konzept der Metropol-Express-Züge zum Anlass nehmen, einmal mehr die etwas merkwürdige Rolle des Verbands Region Stuttgart zu betrachten.               

  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.