Sonntag, 29. September 2013

Planungswirrwarr um Stuttgart 21 und Stadtbahn U6 beim Flughafen

Gemäß einer Zeitungsmeldung ist die Finanzierung der Verlängerung der Stadtbahnlinie U6 vom Fasanenhof zum Stuttgarter Flughafen jetzt gesichert. Allerdings muss der Stuttgarter Steuerzahler überdurchschnittlich und ungerechtfertigt stark für diese Strecke aufkommen. Denn die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) will Anteile an der Strecke vorfinanzieren, die eigentlich die Stadt Leinfelden-Echterdingen und der Landkreis Esslingen übernehmen müssten. Die Vorfinanzierung durch die SSB ist nichts anderes als eine zusätzliche Steuerbelastung der Stuttgarter Bürger - und das ohne dass die Betroffenen dazu gefragt werden.

Trotz dieser finanziellen Unstimmigkeiten könnte man auf den ersten Blick die neue Stadtbahnstrecke vom Fasanenhof zum Flughafen begrüßen. Eine neue Bahnstrecke stärkt schließlich den Schienenverkehr und fördert die umweltgerechte Mobilität.

Auf den zweiten Blick wird man jedoch stutzig. Gibt es von Stuttgart zum Flughafen nicht bereits eine Schnellbahnstrecke (S-Bahn)? Und hat diese S-Bahnstrecke nicht noch große Reserven sowohl betrieblicher als auch verkehrlicher Art? Wäre es nicht angebracht, zunächst einmal diese bisher nicht genutzten großen Reserven der bestehenden S-Bahnstrecke zu aktivieren, bevor man eine zusätzliche, trotz aller Umweltfreundlichkeit eben doch auch wieder die Umwelt belastende Stadtbahnstrecke zum Flughafen führt?


Wer die Planungen von Stuttgart 21 ein wenig kennt, weiß, dass es noch viel schlimmer könnte, sollte dieses Projekt tatsächlich ernsthaft gebaut werden. Zwar soll außerhalb des Projekts Stuttgart 21 eine neue Stadtbahnstrecke von Stuttgart zum Flughafen gebaut werden. Die großen betrieblichen und verkehrlichen Reserven der bestehenden S-Bahnstrecke werden jedoch nicht nur nicht genutzt. Diese S-Bahnstrecke soll im Zuge von Stuttgart 21 auch noch zurückgebaut werden, so dass sie zukünftig nur noch ein Schatten ihrer selbst sein wird.

Worin bestehen die großen betrieblichen und verkehrlichen Potenziale der bestehenden S-Bahnstrecke zum Stuttgarter Flughafen?
Eines der großen betrieblichen Potenziale ist eine Taktverdichtung. Heute besteht lediglich ein Stottertakt von 10/20 Minuten vom und zum Flughafen. Mit Hilfe einer zusätzlichen Express-S-Bahnlinie vom Flughafen über S-Vaihingen und die Gäubahn zum Kopfbahnhof lässt sich ein 10 Minuten-Takt ab/bis Flughafen einrichten. Dies ist ein betriebliches Angebot, das andere Städte (z.B. Hamburg) schon längst haben.

Ein weiteres großes betriebliches Potenzial ist die Einrichtung von Express-S-Bahnlinien zum Flughafen, die den Flughafen wesentlich schneller an Stuttgart und an das Bahnnetz von BW anbinden. Eine dieser Express-S-Bahnlinien war gerade das Thema. Es ist im bestehenden Flughafenbahnhof und auf der S-Bahnstrecke vom Flughafen nach Vaihingen jedoch noch Platz für mindestens eine weitere Express-S-Bahnlinie. Diese weitere Express-S-Bahnlinie könnte den Flughafen über S-Vaihingen und die Gäubahn an den Nordraum von Stuttgart anbinden, indem sie beim Nordbahnhof die bestehende und relativ einfach weiter auszubauende Übereck-Verbindung benutzt. Sie kann dann über S-Zuffenhausen weiter nach Norden zum Beispiel in Richtung Heilbronn oder in Richtung Vaihingen/Enz fahren. Diese Express-S-Bahnlinie bindet nicht nur die gesamte Nordhälfte der Region Stuttgart schnell an den Flughafen an. Sie entlastet auch die Stammstrecke der S-Bahn in der Stuttgarter Innenstadt.
  
Zu den im Moment schlummernden verkehrlichen Potenzialen gehört, dass der bestehende Flughafenbahnhof in derselben Qualität auch in Richtung Osten angebunden werden kann wie dies heute nur in Richtung Westen der Fall ist. Zur Zeit ist also der Flughafenbahnhof nur eine halbe Sache. Machen wir sie endlich zur ganzen Sache, indem wir vom bestehenden Flughafenbahnhof eine Neubaustrecke entlang der Autobahn nach Wendlingen bauen! Mit dieser Neubaustrecke können die Express-S-Bahnlinien am Flughafen durchgebunden werden. Damit sind neue Linienteile von Plochingen über Wendlingen zum Flughafen sowie von Nürtingen zum Flughafen möglich.

Ein weiteres verkehrliches Potenzial, das nicht genutzt wird, ist die Eignung des bestehenden Flughafenbahnhofs als Umsteigebahnhof. Man kann dort zukünftig zwischen den verschiedenen S-Bahnlinien und Express-S-Bahnlinien umsteigen, ohne den Bahnsteig wechseln zu müssen. Das ist also etwas ganz einfaches, unvergleichlich einfacher und kostengünstiger als die Stuttgart 21-Chaosplanung mit zwei weit auseinanderliegenden Bahnhöfen und teilweise großer Tiefenlage der Bahnhöfe.  

Worin bestehen die bei Stuttgart 21 geplanten Rückbaumaßnahmen bei der bestehenden S-Bahnstrecke zum Stuttgarter Flughafen? 
Die gravierendste Rückbaumaßnahme ist die bei Stuttgart 21 nur noch eingleisige Führung der S-Bahn im Bereich der bestehenden S-Bahnstation Flughafen. Eine eingleisige Strecke ist stets eine Behinderung. Eine eingleisige Strecke im Bereich eines Bahnhofs ist eine doppelte Behinderung.

Dann gibt es bei Stuttgart 21 mehrere höhengleiche Gleiskreuzungen, die es heute nicht gibt. Das ist der Fall bei der Rohrer Kurve und westlich der bestehenden Station Flughafen.

Zudem ist bei Stuttgart 21 ein Mischbetrieb zwischen Fern- und Regionalzügen sowie S-Bahnen im Verlauf der Strecke zwischen dem Flughafen und der sogenannten Rohrer Kurve in der Nähe von S-Vaihngen geplant.

Schließlich muss für die Aufnahme von Fern- und Regionalzügen die nur für den S-Bahnverkehr gebaute Strecke zwischen dem Flughafen und der Rohrer Kurve so umgebaut werden, dass die Gleise auseinanderrückt werden. In der Folge ist der Sicherheitsraum auf der Außenseite der Gleise nur noch eingeschränkt vorhanden.  


Wie wirken sich die bei Stuttgart 21 geplanten Rückbaumaßnahmen auf die Stuttgarter S-Bahn aus?
Die eingleisige Streckenführung im Bereich eines Bahnhofs, die zusätzlichen höhengleichen Gleiskreuzungen sowie der Mischbetrieb zwischen Fern- und Regionalzügen sowie S-Bahnen wirken sich in einer signifikanten Abnahme der Pünktlichkeit des S-Bahnbetriebs aus. Der Regional- und Fernverkehr wird Vorrang vor dem S-Bahnverkehr bekommen. Zudem ist der Regional- und Fernverkehr per se verspätungsanfällig. Diese Verspätungen werden auf die S-Bahn übertragen.

Die eingleisige Streckenführung im Bereich des Bahnhofs Flughafen, die höhengleichen Gleiskreuzungen sowie der Mischbetrieb werden die Leistungsfähigkeit der Strecke zwischen dem Flughafen und S-Vaihingen merklich reduzieren. Dies kann dazu führen, dass nicht einmal mehr das heute bestehende Angebot im S-Bahnverkehr aufrechterhalten werden kann.

Die betrieblichen Zwangspunkte aus eingleisigen Strecken, höhengleichen Gleiskreuzungen und Mischbetrieb wirken sich zudem gravierend auf den Freiheitsgrad bei der Fahrplangestaltung aus. Die Stuttgarter S-Bahn hat ja heute bereits einige eingleisige Strecken und höhengleiche Gleiskreuzungen (zwischen Wendlingen und Kirchheim/Teck, zwischen Freiberg/Neckar und Backnang, zwischen Mamsheim und Weil der Stadt sowie zwischen Flughafen und Bernhausen). Diese betrieblichen Engpässe wirken sich bereits negativ auf den Fahrplan der S-Bahn aus, indem zum Beispiel Fahrzeiten künstlich verlängert werden müssen oder indem die Abfahrtszeiten unpassend und ohne Anschlussaufnahme gelegt werden müssen.

Dem Stuttgart 21-Fehler folgt ein weiterer Jahrhundertfehler auf dem Fuß
Als ob der Rückbau der S-Bahnstrecke zwischen S-Vaihingen und dem Flughafen nicht schon genug Unheil bringen wird, ist im Zusammenhang mit Stuttgart 21 und der Verlängerung der Stadtbahnlinie U6 zum Flughafen gleich der nächste Jahrhundertfehler geplant.

Denn wenn man schon die Stadtbahn mit Hilfe einer neuen Trasse bis zum Flughafen bringt, dann sollte doch bitte schön die Stadtbahn die zukünftige Erschließung des Filderraums in den Städten Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen übernehmen. Nun ist aber geplant, dass die S-Bahn von Bernhausen nach Neuhausen a.d.F. verlängert werden soll. Die S-Bahn aber ist das denkbar ungeeignetste Verkehrsmittel für die Erschließung eines Siedlungsraums, wie wir ihn auf den Fildern vorfinden. 

Für diesen Siedlungsraum ist die Stadtbahn maßgeschneidert. Die Stadtbahn hat wesentlich kürzere Fahrzeuge als die S-Bahn. Somit können auch die Bahnsteige bei den Haltepunkten wesentlich kürzer und kostengünstiger gebaut werden. Im Gegenzug kann die Stadtbahn mehr Haltestellen anfahren als die S-Bahn. Die Stadtbahn ist zudem wesentlich flexibler als die S-Bahn. Sie kann engere Kurvenradien fahren und Steigungen besser überwinden. Sie kann viel besser als die S-Bahn auch an der Oberfläche fahren. Ihr Bahnkörper kann von Fußgängern und auch von Fahrzeugen an bestimmten Stellen gequert werden. Sie kann mit gleichen Betreibskosten in dichterem Takt fahren als die S-Bahn. Und es bestehen mit der Stadtbahn ganz andere Optionen für die Erschließung weiterer Kommunen auf den Fildern, als dies mit der S-Bahn möglich wäre.

Was also ist zu tun?
An Stelle des Rückbaus der S-Bahnstrecke vom Flughafen nach S-Vaihingen und an Stelle des Baus eines zusätzlichen, hundsteuren, unbequemen, wartungsaufwändigen und in großer Tiefenlage sich befindenden zusätzlichen Flughafenbahnhofs bei Stuttgart 21 ist im Bereich des Flughafens folgendes zu tun:

Der bestehende Tunnel auf der Ostseite des bestehenden Flughafenbahnhofs wird umgebaut. Die Stadtbahn wird von ihrer Haltestelle an der Oberfläche vor dem Terminal des Flughafens über eine Tunnelrampe in den bestehenden Tunnel nach Bernhausen geführt. Dieser Tunnel wird für die Stadtbahn angepasst. Die S-Bahn fährt dagegen vom bestehenden Flughafenbahnhof zukünftig über einen kurzen Tunnel unter der Autobahn hindurch und dann auf einer Neubaustrecke parallel zur Autobahn nach Wendlingen.

Kann man in die Politiker noch Hoffungen setzen?
Es ist zu hoffen, dass die Gemeinderäte der betroffenen Kommunen Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen und Neuhausen a.d.F. sich der Problematik der bestehenden Planung noch bewusst werden und die bestehende Planung ablehnen sowie einer vernünftigen, klar strukturierten und im Sinne der Fahrgäste stehenden Planung den Vorzug geben.                 

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