Sonntag, 10. Februar 2013

Das Ringen um die beste Flughafenanbindung nach dem Stopp von Stuttgart 21

Nach dem Stopp von Stuttgart 21 wird sich ein Zeitfenster öffnen, in dem die Anbindung des Stuttgarter Flughafens an den Schienenverkehr fundamental verbessert werden kann. Das war bereits das Thema im vorangegangenen Post in diesem Blog. 

Wie bei allen verkehrlichen Sachverhalten stehen auch beim Thema einer Verbesserung der Flughafenanbindung verschiedene Varianten im Wettstreit. Im heutigen Post in diesem Blog wollen wir die beiden Hauptvarianten einer verbesserten Anbindung des Stuttgarter Flughafens an das Bahnnetz einander gegenüberstellen. Zuvor gilt es jedoch, vier Sachverhalte aufzuzählen, die allen Varianten gemeinsam sein müssen.


  1. Ein Teil der Geldmittel, die das Land Baden-Württemberg, der Flughafen und der Verband Region Stuttgart für Stuttgart 21 reserviert haben, muss nach dem Stopp von Stuttgart 21 für die Verbesserung der Flughafenanbindung erhalten bleiben. Ohne diese Mittel geht es nicht. Eine Verbesserung der Flughafenanbindung im Rahmen der über die herkömmlichen Kanäle verfügbaren Mittel (z.B. Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Schienenausbauprogramm des Bundes) würde dazu führen, dass die nächsten 10 bis 20 Jahre nichts gemacht werden kann. Denn diese Mittel sind über längere Zeiträume hinweg bereits für andere Maßnahmen vergeben.
  2. Alle Varianten einer Verbesserung der Flughafenanbindung müssen sich auf den vorhandenen Flughafenbahnhof unter dem Flughafenterminal beziehen. Dieser vorhandene Bahnhof hat große Reserven sowie betriebliche und verkehrliche Potenziale, die heute bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Ein zusätzlicher, enorm teurer Bahnhof, der sich möglicherweise in großer Tiefenlage befindet und der weit vom bestehenden Bahnhof entfernt ist, darf nicht gebaut werden.
  3. Zusammen mit einer Verbesserung der Flughafenanbindung muss auch das größte Problem der Stuttgarter S-Bahn, die Überlastung der S-Bahn-Stammstrecke, wenigstens in Teilen gelöst werden. Würde man dieses Problem jetzt nicht zusammen mit dem Flughafenthema anpacken, würde sich diesbezüglich in den kommenden Jahren und sogar Jahrzehnten nichts tun. Das Stuttgarter S-Bahnnetz wäre dann unter den vergleichbaren S-Bahnnetzen (Hamburg, Frankfurt/Main, München, Zürich) das einzige, bei dem keine Maßnahmen zur Entlastung der Stammstrecke umgesetzt bzw. in konkreter Planung sind.
  4. Der bereits planfestgestellte Stuttgart 21-Abschnitt von S-Plieningen bis nach Wendlingen soll Bestandteil einer verbesserten Flughafenanbindung auch nach dem Stopp von Stuttgart 21 sein. Die Einbeziehung dieses Abschnitts in die Planung für die Nach-Stuttgart 21-Zeit spart jahrelange Neuplanungen und ermöglicht es, die verbesserte Flughafenanbindung zu einem Termin in Betrieb zu nehmen, der weit vor dem für Stuttgart 21 geplanten Eröffnungstermin liegt.  
Zwei Varianten für eine verbesserte Flughafenanbindung
Kommen wir nun zu den beiden Hauptvarianten für eine verbesserte Bahnanbindung des Stuttgarter Flughafens.

Bei der Variante A verbindet eine Express-S-Bahn den Flughafen mit einem oder mit mehreren benachbarten Bahnknotenpunkten. Dort steigen die Fahrgäste zur Weiterfahrt ins Bahnnetz von ganz Baden-Württemberg um. Die in Frage kommenden Bahnknotenpunkte sind der Hauptbahnhof, der Bahnhof Plochingen, der Bahnhof Wendlingen und der Bahnhof S-Vaihingen, wobei der Bahnhof S-Vaihingen durch den Bau eines vierten Bahnsteigs erst zum Bahnknotenpunkt ausgebaut werden muss.

Bei der Variante B verläuft eine Express-S-Bahn bzw. ein Regionalzug vom Flughafen über eine Über-Eck-Verbindung ("Kurve") auf eine vom Stuttgarter Hauptbahnhof kommende Strecke über. Dort fahren die Express-S-Bahn bzw. der Regionalzug gemeinsam mit den vom Hauptbahnhof kommenden Zügen eine mehr oder weniger lange Strecke bis zu einem Zwischenhaltepunkt oder Endpunkt. Diesbezüglich sind zu nennen: Die Rohrer Kurve mit der Überleitung vom Flughafen auf die Gäubahn, die Wendlinger Kurve mit der Überleitung vom Flughafen auf die Neckartalbahn, aber auch die Wendlinger Gegenkurve zusammen mit einer Plochinger Kurve mit der Überleitung vom Flughafen auf die Filstalbahn.

Wir wollen die Sache hier in diesem Blog etwas abkürzen. M.E. spricht sehr viel dafür, die Variante A zu wählen. Die wesentlichen Gründe für die Wahl der Variante A sind:
  1. Bei der Variante B entstehen Parallelverkehre auf ein- und derselben Strecke, die schnell unwirtschaftlich werden können bzw. bei denen das beim Land verfügbare Budget für die Bestellung von Zugkilometerleistungen sehr schnell aufgebraucht sein kann. Selbst wenn es sich für die Zeiten des Berufsverkehrs rechnen würde, so wären die Neben- und Schwachverkehszeiten doch ein Problem.
  2. Die Mehrzahl der Fahrgäste will von den einzelnen Orten entlang der Bahnstrecken in Richtung Hauptbahnhof und in Richtung der Stuttgarter Innenstadt fahren. Die Fahrgäste, die in Richtung Flughafen fahren wollen, werden stets eine Minderheit bleiben (Aufteilung z.B. 80:20 oder 70:30). Will man gleich viele Züge aus den einzelnen Strecken in Richtung Hauptbahnhof und in Richtung Flughafen fahren lassen, läuft man Gefahr, dass die Züge in Richtung Flughafen nur schwach besetzt sind.
  3. Das zusätzliche Bestellen von Zügen aus den einzelnen Strecken zum Flughafen kann dazu führen, dass aus Kostengründen die Zahl der Richtung Hauptbahnhof fahrenden Züge reduziert werden muss. Das würde aber alle Bemühungen um eine Steigerung des Bahnverkehrs konterkarieren.
  4. Reduziert man jedoch die Zahl der zum Flughafen fahrenden Züge gegenüber der Zahl der in Richtung Hauptbahnhof fahrenden Züge, wird die Direktverbindung zum Flughafen schnell unattraktiv. Dann sind die Fahrgäste versucht, für die Fahrt zum Flughafen doch erst mal die Verbindung in Richtung Hauptbahnhof zu wählen, um dann irgendwo auf die herkömmliche S-Bahn zum Flughafen umzusteigen.

Der Variante A gebührt also der Vorzug. Es ist eine Express-S-Bahn einzurichten, die den Flughafen mit möglichst vielen Bahnknoten in der Umgebung auf schnellstmöglichem Weg verbindet. Hierzu stehen die oben genannten vier Bahnknoten bereit. Die Express-S-Bahn soll, um ihre Aufgabe optimal erfüllen zu können, tatsächlich nur am Flughafen und an den genannten vier Bahnknoten anhalten. Ihr Verlauf ist somit: Hauptbahnhof-oben(Kopfbahnhof) - S-Vaihingen - Flughafen - Wendlingen - Plochingen. Für diese Linienführung ist die Wendlinger Gegenkurve erforderlich, allerdings nicht mit dem Ziel, dass die Express-S-Bahn auf irgendeine Strecke eingeleitet wird, sondern mit dem einzigen Ziel, die Bahnknoten Wendlingen und Plochingen anzufahren.

Kann die neue Express-S-Bahn die Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn entlasten?
Jetzt müssen wir diese neue Express-S-Bahn, deren Einrichtung nach dem Stopp von Stuttgart 21 an oberster Stelle der Verkehrsagenda des Landes Baden-Württemberg stehen sollte, noch daraufhin durchchecken, ob sie in der Lage ist, die überlastete Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn zu entlasten. Das tun wir am besten, indem wir verschiedene Fahrtbeispiele betrachten.

1. Fahrtbeispiel: Göppingen-Vaihingen
Heute fährt man mit dem Regionalexpress von Göppingen zum Hauptbahnhof. Dort steigt man in die S-Bahn um und fährt über die Stammstrecke nach Vaihingen. Zukünftig fährt man mit dem Regionalexpress von Göppingen bis zum Bahnknoten Plochingen. Dort steigt man in die Express-S-Bahn um, die in wenigen Minuten mit Zwischenhalt in Wendlingen und am Flughafen  nach Vaihingen fährt.

2. Fahrtbespiel: Kircheim/Teck-Flughafen
Heute fährt man mit der S-Bahn von Kirchheim/Teck über die Stammstrecke bis nach Vaihingen. Dort steigt man in eine andere S-Bahn zum Flughafen um. Zukünftig fährt man mit der S-Bahn von Kirchheim/Teck bis zum Bahnknoten Wendlingen. Dort steigt man in die Express-S-Bahn um, die in wenigen Minuten zum Flughafen fährt.

3. Fahrtbeispiel: Nürtingen-Universität
Heute fährt man mit dem Regionalexpress von Nürtingen zum Hauptbahnhof. Dort steigt man in die S-Bahn um und fährt über die Stammstrecke zur Universität. Zukünftig fährt man mit dem Regionalexpress von Nürtingen zum Umsteigeknoten Wendlingen. Dort steigt man in die Express-S-Bahn um, die in wenigen Minuten mit Zwischenhalt am Flughafen nach Vaihingen fährt. Dort steigt man in die herkömmliche S-Bahn um und fährt bis Universität.

4. Fahrtbeispiel: Ludwigsburg-Vaihingen
Heute fährt man von Ludwigsburg mit dem Regionalexpress bis zum Hauptbahnhof. Dort steigt man in die S-Bahn um und fährt über die Stammstrecke nach Vaihingen. Zukünftig fährt man ebenfalls mit dem Regionalexpress zum Hauptbahnhof. Man bleibt aber oben im Kopfbahnhof und steigt dort bequem in die Express-S-Bahn um, die Nonstop nach Vaihingen fährt.

Fazit
Man sieht also, dass durch die neue Express-S-Bahn sehr viele unterschiedliche Fahrten sowohl im Süden der Region Stuttgart, als auch von Norden her ins Zentrum der Region Stuttgart zukünftig nicht mehr über die Stammstrecke der S-Bahn laufen müssen. Das wird die Stammstecke maßgeblich entlasten, so dass bei der Stuttgarter S-Bahn eine zweite Stammstrecke nicht erforderlich wird. 

Eine wesentlich verbesserte Bahnanbindung des Stuttgarter Flughafens und eine Entlastung der Stammstrecke der S-Bahn lassen sich somit durch ein und dieselbe Maßnahme erreichen. Diese Maßnahme ist zudem vergleichsweise preisgünstig. Denn sie greift am Flughafen auf den bereits vorhandenen Bahnhof zurück und sie erfordert nur wenige hundert Meter an neuen Tunnels.         
         
         

    

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