Dienstag, 8. Mai 2012

Der alte Mann und das Projekt

Er kämpft unverdrossen weiter für sein Projekt. Jetzt hat sich Gerhard Heimerl (78), der Erfinder von Stuttgart 21 sowie der Neubaustrecke (NBS) Wendlingen-Ulm erneut zu Wort gemeldet. In einem zweispaltigen Leserbrief in der Stuttgarter Zeitung vom 07.05.2012 rechtfertigt er Stuttgart 21 erneut mit den alten abgedroschenen Argumenten. Selbst eine weitere Verzögerung bei der Fertigstellung der NBS Wendlingen-Ulm schadet laut Heimerl dem Projekt Stuttgart 21 nicht.

Immerhin gibt Heimerl jetzt zu, dass die NBS Wendlingen-Ulm wohl nicht termingerecht fertiggestellt werden wird, sollte diese Strecke tatsächlich gebaut werden. Und hieß es bisher immer, Stuttgart 21 könne ohne die NBS nicht in Betrieb gehen, so postuliert Heimerl jetzt einfach, dass S21 auch alleine sinnvoll betrieben werden kann.

Beim Durchlesen des Heimerl-Briefes gewinnt man den Eindruck, dass dieser Mann auf dem Sachstand von vor 30 Jahren stehengeblieben ist, als er die Projekte S21 und NBS Wendlingen-Ulm ausbrütete. Auf keinen einzigen der zahlreichen Sachverhalte, die bis heute neu aufgetaucht sind, geht er ein.



Dass es zu Stuttgart 21 massive Einwände in Bezug auf die ausreichende Leistungsfähigkeit gibt, ficht ihn nicht an. Er hält es sogar für normal, dass bis zur Fertigstellung der NBS die Züge in Richtung Ulm über den Wangener Tunnel fahren. Wenn aber Stuttgart 21 selbst im Endausbau nicht leistungsfähig genug ist, dann gilt dies für den Zwischenzustand mit Fernzügen durch den Wangener Tunnel erst recht.

Als Vorteil einer vorzeitigen Inbetriebnahme von S21 führt er die Anbindung des Flughafens durch die in Richtung Tübingen fahrenden Züge sowie durch die Gäubahn an. Dass die Planung für die Anbindung des Flughafens seit 15 Jahren auf die erforderliche Planungsreife wartet und vom Eisenbahnbundesamt bisher zurückgewiesen worden ist, spielt für Heimerl keine Rolle. Dass eine Führung der Gäubahn über S-Vaihingen anstatt über den Flughafen wesentlich mehr Menschen Nutzen bringt, scheint ihn nicht zu interessieren. Dass eine Anbindung des Flughafens an das ICE-Netz kontraproduktiv ist - was soll`s? Dass die bisherigen Planungen für die Fildern selbst von der Stuttgart21-SPD als Murks angesehen werden, ist anscheinend eine zu vernachlässigende Größe.    

Und als letztes Argument muss dann wieder die Durchbindung der Regionalzüge herhalten, die bei Stuttgart 21 möglich sei. Dass eine Durchbindung von Regionalzügen auch beim Kopfbahnhof möglich ist, dass Regionalzüge bei großen Bahnknoten besser nicht durchgebunden werden, sondern zeitgenau mit Anschlüssen zu den Fernzügen und zu anderen Regionalzügen zu- und abfahren sollten, dass selbst ein (zunächst unter Verschluss gehaltenes) Gutachten der SMA für K 21 summa summarum schnellere Reisezeiten nachweist als für S21, all das ging und geht wohl an Heimerl vorbei.

Aber ein wenig Verständnis für Heimerl könnte man vielleicht aufbringen. Denn in seiner Position möchte man wohl lieber nicht sein. Er hat ein Projekt geplant, das die größte und kompetenteste Bürgerbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hervorgebracht hat. Sein Projekt war die Hauptursache für das Ende der jahrzehntelangen CDU-Regierung in BW. Die Murksprojekte Stuttgart 21 und NBS Wendlingen-Ulm haben den ersten Grünen Ministerpräsidenten in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Sessel gehoben. Das Ausstiegsgesetz des Landes BW wurde nur deshalb in der Volksabstimmung knapp abgelehnt, weil die S21-Seite mit einer massiven Geld- und Materialschlacht, mit Ängsten vor nicht vorhandenen Ausstiegskosten und mit den CDU-Daumenschrauben bis zum letzten Dorfbürgermeister und Vereinsvorsitzenden ihre Rache am Grünen Wahlerfolg zelebriert hat. Chapeau! Welcher andere Professor in Deutschland kann solche "Erfolge" vorweisen?

Aber aus Sicht von Heimerl ist wohl ein anderer Punkt noch gravierender. S21 und die NBS werden von allen Fachkollegen aus dem Inland und aus dem Ausland sowie von allen Bahnexperten, die es sich leisten können, offen ihre Stimme zu erheben, vehement abgelehnt. Vom dümmsten Projekt in der Geschichte der Eisenbahn ist da die Rede. Der sofortige Baustopp wird da gefordert. Und wir wissen genau, wie schwierig es für den Einzelnen in dem vergleichsweise kleinen Umfeld des Eisenbahnwesens ist, seine Meinung zu sagen, ohne Nachteile befürchten zu müssen.

Im nächsten Post in diesem Blog gehen wir auf einen von Heimerl genannten Sachverhalt näher ein, die Durchbindung von Regionalzügen, die als Vorteil von S21 dargestellt wird. Ein Vergleich mit dem Durchgangsbahnhof und Bahnknoten Karlsruhe Hauptbahnhof wird da etwas Überraschendes zu Tage fördern.  

       

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