Donnerstag, 16. Februar 2012

Ist Fritz Kuhn auf dem Holzweg?

Noch ist Fritz Kuhn nicht offizieller Kandidat der Grünen für die Oberbürgermeisterwahl im kommenden Herbst in Stuttgart. Aber der prominente Grüne hat seine Ambitionen, für das Amt zu kandidieren, angemeldet und es bestehen kaum Zweifel, dass er demnächst von den Grünen als Kandidat gekürt wird.

In seiner derzeitigen Nebenfunktion als Kandidaten-Kandidat für den neuen Stuttgarter OB gibt Fritz Kuhn bereits Statements ab, auch zu Stuttgart 21. Und im wesentlichen hört man von Fritz Kuhn zur Zeit nur den Grünen Einheitsbrei zu Stuttgart 21, also die üblichen Sprechblasen wie "kritisch begleiten", "Bürgerschaft zusammenführen", "Volksabstimmung respektieren" und "ich bin eigentlich dagegen, aber...".



Sollte es dabei bleiben, wäre es zu wenig. Dann bestünde kein Anlass, Fritz Kuhn zum OB zu wählen. Es ist zu hoffen, dass Fritz Kuhn noch rechtzeitig die Kuve kriegt und von seinem derzeitigen Holzweg abkommt. Vielleicht ist Fritz Kuhn auch zur Zeit die Natur des Projekts Stuttart 21 noch nicht vollkommen klar. Deshalb kann ein wenig Nachhilfe nicht schaden.

Stuttgart 21 ist kein Projekt, das im Bundesverkehrswegeplan steht. Dieses Projekt hat nicht den für Verkehrsprojekte üblichen Weg durchlaufen. Der normale Weg sieht so aus, dass ein Projekt irgendwann in den Bundesverkehrswegeplan Eingang findet und dann langsam in der Dringlichkeit nach oben steigt, vorausgesetzt, der in regelmäßigen Abständen zu überprüfende Nutzen des Projekts ist und bleibt gegeben. Nach einer mehr oder weniger langen Zeit ist das Projekt in der Dringlichkeit ganz oben angekommen und kann dann, sobald Mittel bereitstehen, in Bau gehen.

Stuttgart 21 hätte nie die Chance gehabt, in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen zu werden. Dieses Projekt hatte nie einen positiven Nutzen-Kosten-Faktor. Um das Projekt dennoch umsetzen zu können, schlossen verschiedene Partner einen Vertrag und verpflichteten sich, das Projekt mit mehr oder weniger großen Summen und Subventionen zu finanzieren.

Einer dieser Partner ist die Landeshauptstadt Stuttgart. Und hier wäre jetzt der Ansatzpunkt für Fritz Kuhn. Selbstverständlich kann er sagen, dass er die Volksabstimmung respektiert. Aber die Volksabstimmung hat das Land (ein weiterer Partner) veranlasst, um seine spezifischen Probleme irgendwie in den Griff zu bekommen. Fritz Kuhn will aber nicht für die Landespolitik kandidieren. Er muss sich als OB von Stuttgart um die Sinnhaftigkeit und Rechtmäßigkeit des städtischen Anteils an Stuttgart 21 kümmern.

Und diesbezüglich gibt es eine Reihe von Ansätzen. So wird die Wahrscheinlichkeit immer größer, dass selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass Stuttgart 21 fertig gebaut wird, der Kopfbahnhof erhalten bleiben muss. Denn immer mehr deutet darauf hin, dass Stuttgart 21 nicht einmal im entferntesten die Leistungsfähgigkeit bringt, die erforderlich und zugesagt ist. Zudem ist die DB nicht das einzige Bahnunternehmen. Auch andere Unternehmen haben ein Recht, Bahnbetrieb in Stuttgart zu machen - und das oberirdisch. Wenn aber mit einer Wahrscheinlichkeit von inzwischen wesentlich mehr als 50 Prozent der Kopfbahnhof erhalten bleiben muss, werden bestimmte bestehende Bahnanlagen nicht für eine andere Nutzung frei. Dann muss die Stadt die der DB bereits gezahlten Millionensummen für die Grundstücke wieder zurückfordern, samt Zinsen. Unterlässt ein Oberbürgermeister eine diesbezügliche Untersuchung, kann sogar ein Tatbestand der Untreue vorliegen.

Auch die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Mischfinanzierung von Stuttgart 21  gehört zu den Aufgaben, die ein neuer OB in Stuttgart als erstes auf die Agenda setzen muss. Denn der OB wird doch hoffentlich am Beginn seiner Amtszeit wissen wolllen, ob sein Handeln und das Handeln seiner Verwaltung rechtlich einwandfrei sind oder nicht.

Es gibt somit eine Reihe von handfesten Möglichkeiten für einen OB in Stuttgart, das Projekt Stuttgart 21 zu stoppen. Und das hat überhaupt nichts mit der Volksabstimmung des Landes zu tun und auch nichts damit, ob man nun diese Volksabstimmung vollumfänglich anerkennt oder nicht.

Entscheident wird nun sein, ob Fritz Kuhn vor der Wahl die genannten sowie weitere Punkte konkret thematisiert und eine Zusage für eine Umsetzung für den Fall abgibt, dass er gewählt wird. Tut er dies nicht und beschränkt sich auf die Sprechblasen, die auch Ministerpräsident Kretschmann abgibt, ist Kuhn nicht wählbar.

In diesem Fall sollte die Bürgerbewegung in Stuttgart prüfen, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Oder es bleibt die Variante, nicht zur Wahl zu gehen bzw. eine ungültige Stimme abzugeben. Jetzt kommt möglicherweise der Einwand, dass man damit indirekt den CDU-Kandidaten unterstützt. Es mag sein, dass dadurch der CDU-Kandidat gewählt wird. Aber es wird dann ein schwacher OB sein, wenn er nur mit einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung oder mit vielen ungültigen Stimmen gewählt wird. Und dieser schwache OB der CDU wird dann angreifbar sein. Alle Punkte zur Verhinderung von Stuttgart 21, die oben genannt wurden und die wir bei Fritz Kuhn erwarten, dass er sie vor der Wahl thematisiert, können bei einem CDU-OB ebenfalls angefordert werden, notfalls vor Gericht.

Es wäre jedoch ein Verrat an der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21, wenn es bei der OB-Wahl keine echte Alternative gäbe. Ein Kandidat der CDU, der Stuttgart 21 kritisch begleiten will und ein Kandidat der Grünen, der Stuttgart 21 ebenfalls kritisch und von mir aus besonders kritisch begleiten will, sind keine Alternative. Und es wäre eine bittere Ironie der Geschichte, wenn die mächtigste Bürgerbewegung Europas, die letztendlich Stuttgart erst positiv in der Welt bekannt gemacht hat, jetzt mit einer OB-Wahl bestraft würde, die keine echte demokratische Alternative bietet. Vor diesem Hintergrund hat Fritz Kuhn eine große Verantwortung. Ob er sie wahrnimmt, bleibt abzuwarten.

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