Dienstag, 1. November 2011

Neubaustrecke Wendlingen - Ulm kann auch ohne Stuttgart 21 gebaut werden

Den Stuttgart 21 - Befürwortern gehen die Argumente aus. Alle Zahlen und Fakten, die für Stuttgart 21 ins Feld geführt worden sind, wurden widerlegt. Deshalb konzentrieren sich die S21-Protagonisten jetzt auf die Themen Ausstiegskosten und Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. 

Es werden astronomisch hohe Ausstiegskosten angegeben. Sobald die Wahrheit in Form sehr niedriger Ausstiegskosten auf den Tisch kommt (Ankündigung einer Pressekonferenz zu diesem Thema durch Landesverkehrsminister Herrmann am kommenden Donnerstag) reagieren die S21-Protagonisten (z.B. Herr Schmiedel, SPD) verärgert und patzig.

Auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wird jetzt als letzter Strohhalm herangezogen, um Stuttgart 21 noch zu retten. Jetzt hat Bahnchef Grube in einem Zeitungsinterview angekündigt, dass im Falle des Scheiterns von Stuttgart 21 auch die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm nicht gebaut wird. Nun kann man darüber eigentlich nur schmunzeln. Denn Herr Grube ist nicht maßgebend, wenn es um die Festlegung des Baus neuer Bahnstrecken geht.



Das ganze ist aber auch gefährlich. Denn unbedarfte Bürger könnten diesen behaupteten Zusammenhang für bare Münze nehmen. Deshalb gilt es klarzustellen: Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm hat nicht im geringsten etwas mit Stuttgart 21 zu tun.

Die Neubaustrecke von Stuttgart nach Ulm - ob jetzt in der Variante über das Filstal oder in der Variante entlang der Autobahn - war über viele Jahre hinweg auf der Basis des Stuttgarter Kopfbahnhofs geplant. Erst in einer späten Planungsphase wurde das plötzlich aufs Tablett gesetzte Projekt Stuttgart 21 mit der Neubaustrecke verbunden.

Bei einem stufenweisen Ausbau des Kopfbahnhofs würde die Neubaustrecke nach Ulm zwischen S-Obertürkheim und Esslingen-Mettingen beginnen, 9,5 Kilometer vom Stuttgarter Kopfbahnhof entfernt. Die seit dem Jahr 1990 in Betrieb befindliche Neubaustrecke von Mannheim nach Stuttgart endet nördlich von S-Zuffenhausen, 9,0 Kilometer vom Stuttgarter Kopfbahnhof entfernt.

Nun ist die Neubaustrecke Mannheim - Stuttgart sogar noch wichtiger als die Neubaustrecke Stuttgart - Ulm je sein wird. Die erstgenannte Strecke wird von mehr Zügen und mit wesentlich mehr Fahrgästen befahren als die zweitgenannte Strecke. Wenn also eine so wichtige Strecke wie die Neubaustrecke Mannheim-Stuttgart neun Kilometer vor dem Kopfbahnhof endet, warum soll dann dies bei einer weniger wichtigen Strecke wie Stuttgart-Ulm nicht auch möglich sein?

Und auch was die letzten neun Kilometer bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof betrifft, wird von den S21-Protagonisten immer wieder herumgetrickst. Die zahlreichen Züge von der Neubaustrecke Mannheim - Stuttgart müssen sich auf den letzten neun Kilometern bis zum Hauptbahnhof mit zwei Gleisen für beide Richtungen begnügen, zusammen mit den zahlreichen von Ludwigsburg kommenden Zügen. Zwei Gleise sind aber - wenn man den S21-Protagonisten Glauben schenkt - für die Züge der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm auf den letzten neun Kilometern bis zum Hauptbahnhof nicht ausreichend. Da müsse ein zusätzliches Gleis gebaut werden. Dabei kommen über die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm nicht nur weniger Züge als von Mannheim (das gilt auch, wenn man die über Esslingen kommenden Züge dazurechnet). Zusätzlich können zwischen Obertürkheim und dem Hauptbahnhof auch noch die beiden Gleise der S-Bahn von den Regionalzügen mitbenutzt werden. Aus Richtung Mannheim über die Zufahrt Zuffenhausen ist dies nicht möglich.

Und dann gibt es einen letzten Punkt, mit dem Stuttgart 21 gerettet werden soll: der Flughafen. Es wird argumentiert, dass sich die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm nur dann rechnet, wenn sie im Rahmen von Stuttgart 21 an den Flughafen angeschlossen ist. Diese Argumentation ist genauso Unsinn wie die vorher genannten Argumente. Denn es wird ja gemäß den bekannten Fahrplänen kaum ein Fernzug am Flughafen halten. Ein Flughafen von der Größe des Stuttgarter Airports lohnt keine Anbindung an den Schienenfernverkehr. Das zeigt zum Beispiel die Entwicklung beim Flughafenbahnhof Köln/Bonn, wo inzwischen kaum mehr ein Fernzug hält. Im Grunde ist der Frankfurter Flughafen der einzige Flughafen in Deutschland, bei dem sich eine Anbindung an den Fernverkehr rechnet.

Und es kommt hinzu, dass die Strecke von Wendlingen nach Obertürkheim wesentlich billiger ist als die Strecke von Wendlingen über den Flughafen und den Fildertunnel zum Hauptbahnhof. Sollten also durch die fehlende Flughafenanbindung ein paar weniger Fahrgäste die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm benutzen, so wird das Nutzen-Kosten-Verhältnis dieser Strecke durch die billigere Anbindung nach Obertürkheim mehr verbessert als es durch die fehlenden Fahrgäste des Flughafens verschlechtert wird.

Tja, es wird langsam schwierig bis zur Volksabstimmung. Da kann einem ja Angst und Bange werden. Was werden die in Panik geratenen S21-Protagonisten in den kommenden Tagen noch alles auftischen? Aber es kann auch ganz ernst werden. Die Volksabstimmung kann ungültig sein, wenn sich herausstellt, dass die Bürger mit falschen Argumenten und Zahlen versorgt worden sind.    

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