Dienstag, 1. Februar 2011

Der Werbe-Rohrkrepierer der CDU, Teil 6

Wird sich die Stuttgarter Bevölkerung auf das Niveau der Stuttgarter CDU begeben und den einfach durchschaubaren Argumenten in der CDU-Werbebroschüre für Stuttgart 21 und gegen den etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs Glauben schenken? Ich hoffe nicht. Nein, ich muss präzisieren: ich glaube es nicht. Denn als Stuttgarter weiß ich, dass die Bürgerinnen und Bürger von Stuttgart überwiegend das Denken nicht verlernt haben. Und in diesem Kontext ist es vielen Stuttgarterinnen und Stuttgartern klar, dass man Stuttgart 21 - diesen größten Angriff auf die Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg, diese größtmögliche Attacke auf ein funktionierendes Bahnsystem für die Bürger - in jedem Fall verhindern muss.



Und es ärgert mich gewaltig, dass ich mich in diesem Blog auf dieses Niveau der tumben Argumente herabbeugen muss. Aber es führt kein Weg daran vorbei, es müssen alle Argumente der CDU hier angesprochen werden. In den letzten Posts waren die Punkte 5 bis 9 der CDU-Werbebroschüre das Thema. Heute geht es um den Punkt 3, betitelt mit "Rosensteinpark und Schlossgarten". 

Wider besseres Wissen behauptet die CDU, dass zwischen dem Hauptbahnhof und Bad Cannstatt beim Konzept K21 möglicherweise sogar vier neue Gleise erforderlich werden. Das wurde zwar im Sach- und Faktencheck für alle nachvollziehbar widerlegt. Aber sagen - so wohl die Ansicht der CDU - kann man es trotzdem.

Aber ich muss fast ein wenig schmunzeln. Herr Hopfensitz, der langjährige Leiter des Stuttgarter Hauptbahnhofs, hat beim Sach- und Faktencheck klar dargelegt, dass zwei zusätzliche Gleise zwischen dem Hauptbahnhof und Bad Cannstatt nicht nur den zukünftig zu erwartenden Mehrverkehr, sondern auch die Fahrten zwischen dem Hauptbahnhof und einem möglichen neuen Wartungsbahnhof in Untertürkheim gut bewältigen können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Leerfahrten zwischen dem Hauptbahnhof und dem Wartungsbahnhof wegen der Durchbindung der Züge im Rahmen des integralen Taktfahrplans beim Konzept K21 in der Zukunft weniger sein werden als heute.  Die beim Sach- und Faktencheck auf der Stuttgart 21 - Seite anwesenden Vertreter der Bahn und des Landes BW haben es zwar nicht explizit gesagt, aber es klang zwischen den Zeilen ganz klar an: sie hielten Herrn Hopfensitz vor, nicht zum Kader der Bahn gehört zu haben, sondern "nur" auf der Betriebsebene tätig gewesen zu sein. Es wäre ja noch schöner, wenn einer aus dem Betrieb uns vom Kader sagen würde, wieviele Gleise die Bahn braucht!

Und auf derselben tiefen Wellenlänge waren ja auch die Behauptungen, mit denen einige Stuttgart 21 - Befürworter durch die Säle getingelt sind, dass nämlich beim Konzept K 21, dem etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs, die Platanenallee im Unteren Schlossgarten (seit wenigen Jahren nennt man sie auch Felix-Mendelssohn-Bartoldy-Allee) im Rahmen des Konzepts K21gefällt werden müsse. Immerhin hat sich die CDU dazu durchgerungen, diesen Unsinn in ihrer Broschüre nicht  zu erwähnen.

Eine solche Behauptung, dass man für K21 im Unteren Schlossgarten Bäume fällen müsse, ist fast schon bösartig. Ja, so heißt es dann immer wieder als Entschuldigung, die Pläne für K21 seien nicht hinreichend klar und würden sich auch immer wieder ändern. Gott sei Dank, so fällt mir hier ein, ändern sich die Pläne für K21 immer mal wieder ein wenig. Diese Pläne werden nämlich weiterentwickelt und bleiben nicht stehen auf dem Stand des letzten Jahrhunderts, wie dies bei Stuttgart 21 der Fall ist. 

Und ich selbst habe mich bis vor wenigen Jahren auch nicht sonderlich intensiv mit K21 beschäftigt. Ich war nämlich faul und habe mir eingeredet, dass dieses Wahnsinnsprojekt Stuttgart 21 ja eh nie kommen würde. Wie sollte ich auch ahnen, dass im April 2007 der damalige Ministerpräsident Oettinger in Freiburg seine unsägliche Filbinger-Rede hielt. Wie sollte ich auch weissagen, dass Oettinger, um nach dem Desaster der Filbinger-Rede wieder einigermaßen festen Grund unter die Füße zu bekommen, dringendst ein Projekt brauchte, das ihn wieder als handelnde Person zeigte. Und da hat es Stuttgart 21 getroffen, das er mit einem exorbitanten Zuschuss des Landes wieder aus der Versenkung hervorholte und damit für die Bahn zusammen mit den Subventionen von Stadt und Region aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnend machte. 

Aber obwohl ich bis vor wenigen Jahren das Konzept K21 gar nicht besonders und im Detail kannte, war es mir immer klar gewesen, dass das für eine Ausweitung des Zugverkehrs im Rahmen einer Bürgerbahn benötigte fünfte und sechste Gleis zwischen dem Hauptbahnhof und Bad Cannstatt nördlich des bestehenden Rosensteintunnels, teilweise auf der Achse des im Rahmen von Stuttgart 21 geplanten S-Bahntunnels verlaufen würde. Als ich später dann zum ersten Mal die K21-Broschüre aufschlug, war es für mich kaum mehr eine Überraschung, dass dort die Führung des fünften und sechsten Gleises im Großen und Ganzen so eingezeichnet war, wie ich mir das all die Jahre selbst immer vorgestellt habe, nämlich nördlich der bestehenden Neckarbrücke und des bestehenden Rosensteintunnels und des bestehenden Gleisvorfelds. Denn dies ist die einzig logische Führung der beiden neuen Gleise.

Der Abschnitt zwischen dem Kopfbahnhof und Bad Cannstatt ist seit der Betriebsaufnahme der S-Bahn (S1 seit 1978, S2 und S3 seit 1981) stark ausgelastet. Ich muss präzisieren: der Kopfbahnhof selbst ist keineswegs ausgelastet, er hat noch große Leistungsreserven. Die Zulaufstrecke von Bad Cannstatt her ist stark ausgelastet. Und der Grund dafür ist, dass die S-Bahn zwei der vier Gleise fast exklusiv belegt. Damit bleiben für den Regional- und Fernverkehr nur noch die beiden verbleibenden Gleise. Vor der Betriebsaufnahme der S-Bahn konnten sich alle Züge auf die vier Gleise verteilen. Später entstanden dann Engpässe.       

Der Wunsch nach einem fünften Gleis wurde deshalb bald nach der Betriebsaufnahme der S-Bahn laut. Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts appellierte der damalige Geschäftsführer des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart an die Verantwortlichen in der Politik, jetzt doch umgehend mit der Planung und dem Bau des fünften Gleises zu beginnen. Denn die Verspätungen der Züge vor allem während des morgendlichen Berufsverkehrs nähmen nicht mehr zu tolerierende Ausmaße an.

Tja, und heute, zwanzig Jahre später, haben wir das fünfte Gleis immer noch nicht. Hier wird der ganze Abgrund deutlich, in den uns dieses Projekt Stuttgart 21 geritten hat. Dieses Projekt wird ja nicht nur während seiner mindestens 15jährigen Bauzeit die Stadt und die Region belasten und alle sonstigen Investitionen in eine Bürgerbahn im Land kannibalisieren. Dieses Projekt wird nicht nur später, wenn es mal in Betrieb wäre, als eine schwere und kostspielige Hypothek die kommenden Generationen belasten. Dieses Projekt hat uns bereits seit 15 Jahren schwer geschadet. Wäre das Projekt Stuttgart 21 nicht aufs Tablett gehoben worden, gäbe es das fünfte Gleis zwischen dem Hauptbahnhof und Bad Cannstatt längst, wäre der Hauptbahnhof längst modernisiert, wäre der Ausbau des Bahnknotens Stuttgart schon längst vorangeschritten und könnten schon längst mehr Züge zwischen Bad Cannstatt und dem Hauptbahnhof fahren.  Fast eine ganze Generation muss nun bereits unter dem Projekt Stuttgart 21 leiden. Diese Generation ist um einen modernen, fahrgastfreundlichen und menschengerechten Bahnknoten Stuttgart betrogen worden. Statt dessen wurden zum Beispiel die Kopfbahnhöfe in Leipzig, Frankfurt und München modernisiert. Stuttgart schaute und schaut in die Röhre.

Und jetzt kommt der nächste Angriff auf K21 in der CDU-Broschüre. Der bestehende Rosensteintunnel der Bahn, so wird behauptet, müsse erneuert und dabei aufgegraben werden. Es entstünde dann im Rosensteinpark eine Schneise, der viele Bäume zum Opfer fallen würden. 

Okay, jetzt mal der Reihe nach. Beim Konzept Stuttgart 21 würde der bestehende Rosensteintunnel nicht mehr benötigt. Man wird jedoch diesen nur wenige Meter unter der Oberfläche liegenden und seinerzeit im Tagebau errichteten Tunnel garantiert nicht so einfach vor sich hingammeln lassen können. Die Chancen sind groß, dass gerade beim Projekt Stuttgart 21 der Rosensteinpark aufgegraben werden müsste, um den Tunnel zu verfüllen.

Und bei K21? Nun, alles Menschenwerk ist vergänglich. Alle Brücken, Straßen, Tunnel und sonstigen Bauwerke, die der Mensch errichtet hat, fallen irgendwann zusammen und müssen immer wieder instandgehalten werden (die ägyptischen Pyramiden stehen wirklich überraschend lang, sie sind aber eine Ausnahme). Und es ist klar, dass innerhalb der nächsten 30 Jahre (also keineswegs sofort und auch nicht in 10 Jahren), der bestehende Rosensteintunnel der Bahn saniert werden muss. Aber gerade der Umstand, dass der Rosensteintunnel mittelfristig einmal saniert werden muss, sollte doch den Menschen vor Augen führen, auf was sie sich bei Stuttgart 21 mit seinen enormen Tunnellängen einlassen. Das ist ja eine ungeheure Hypothek für die nachfolgenden Generationen. Irgendwann werden zukünftige Generationen kein Geld mehr haben, um sich diese Tunnellabyrinthe leisten zu können.

Also, der bestehende Rosensteintunnel der Bahn muss irgendwann saniert werden. Ein ganz normaler Vorgang, der jeden Tunnel einmal trifft. Aber deswegen Stuttgart 21 bauen? Das ist doch ein Witz! Und wie die Sanierung im Detail einmal vonstatten gehen wird, ist noch längst nicht festgelegt. Klar ist, der Tunnel wird in Stufen erst dann saniert, wenn die beiden zusätzlichen Gleise zur Verfügung stehen. Und ob man bautechnisch für die Tunnelsanierung an der Oberfläche aufgraben muss oder ob man die Sanierung nicht doch von innen her bewerkstelligen kann, kann heute nun wirklich noch niemand sagen.

Und für Stuttgart 21 wirbt die CDU im Punkt 3 wieder einmal mit den angeblichen zusätzlichen Grünflächen und einem Mehr an Bäumen. Dieses Thema war ja in diesem Blog schon mal dran. Klar ist, die Zerstörung eines Teils des Mittleren Schlossgartens durch Stuttgart 21 kann durch die sogenannte Parkerweiterung und durch zusätzliche Bäume irgendwo weit draußen vor der Kernstadt nicht wettgemacht werden. Das ist quasi amtlich. Denn der Planfeststellungsbeschluss legt dem Vorhabenträger von Stuttgart 21 auf, dass irgendwo im Bereich Kornwestheim als Ausgleich für die Zerstörung des Schlossgartens irgendwelche Renaturierungsmaßnahmen vorgenommen werden müssen. Die zusätzliche Parkfläche beim Rosensteinpark ist nämlich, so heißt es im Planfeststellungsbeschluss, als Ausgleichsmaßnahme für die Beeinträchtigungen des Schlossgartens nicht ausreichend.                  

     

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