Donnerstag, 23. Dezember 2010

Straßen haben eine größere Trennwirkung als Bahnstrecken


Immer wieder wird als Vorteil des Projekts Stuttgart 21 angeführt, dass durch den Wegfall der Bahnanlagen im Bereich neben dem Unteren Schlossgarten die Stadtbezirke S-Ost und S-Nord zusammenrücken würden. Dann könne man wieder direkt zu Fuß von S-Ost nach S-Nord gehen.

Diese Argumentation ist gleich in mehrerer Hinsicht merkwürdig. Zunächst einmal muss man fragen, ob denn für eine direkte Fußwegverbindung zwischen S-Ost und S-Nord neben der bereits bestehenden Verbindung durch den Rosensteinpark tatsächlich ein so großer Bedarf besteht. Ist es denn nicht vielmehr so, dass die Fehler des Wiederaufbaus von Stuttgart nach dem Zweiten Weltkrieg eine gererell fragmentierte Stadt hinterlassen haben? Viel wichtiger als eine direkte Verbindung zwischen S-Ost und S-Nord wäre eine urbane und direkte Verbindung zwischen S-Mitte und S-Süd, zwischen S-Mitte und S-Ost, zwischen S-Mitte und S-West und zwischen S-Mitte und S-Nord.


Dann stellt man auch fest, dass nach einem Wegfall der Bahnanlagen die beiden Stadtbezirke S-Ost und S-Nord immer noch getrennt wären. Denn es gibt zum Beispiel die sechsspurige Cannstatter Straße, die man nur an wenigen Stellen queren kann und die einen ununterbrochenen Lärm in die Umgebung von S-Ost sowie in den Unteren Schlossgarten ausstrahlt. Straßen trennen durch ihren ununterbrochenen Lärm, sowie die Abgase und Schadstoffe wesentlich mehr als Bahnanlagen!

Und dann muss man auch noch ein Wort zu den Parkanlagen als solchen sagen. Beim Konzept Stuttgart 21 wäre das neue Rosensteinviertel und S-Nord auf mehreren Seiten von Parkanlagen umschlossen. Von S-Ost nach S-Nord könnte man nur gelangen, wenn man mehr oder weniger weit durch Parkanlagen geht. Das mag bei Tag ein reines Vergnügen sein. Aber bei Nacht?   

Und schlussendlich kann man sagen, dass auch beim alternativen Konzept K21, dem etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs, wesentliche Teile der Trennwirkung der Bahnanlagen beim Unteren Schlossgarten wegfallen.

Das schauen wir uns jetzt einmal in einigen Bildern an:

Blick vom Heinrich-Baumann-Steg auf die Cannstatter Straße, die den Unteren Schlossgarten auf der Südostseite begleitet. Zur Bundesgartenschau 1977 wurde eine Lärmschutzwand aus Betonfertigelementen über die gesamte Länge des Unteren Schlossgartens gebaut. Trotz dieser Lärmschutzwand macht sich der Straßenverkehr im Unteren Schlossgarten ununterbrochen störend bemerkbar. Der Lärm der Eisenbahn auf der anderen Seite des Unteren Schlossgartens wird dagegen eher als angenehm empfunden. Zudem ist der Eisenbahnlärm kein Dauerzustand. 
Blick vom Unteren Schlossgarten in Richtung Nordwesten auf die Bahnstrecke Hauptbahnhof - Bad Cannstatt: Zweifelsohne riegelt die Bahnstrecke im bestehenden Zustand den Unteren Schlossgarten optisch stark ab. Zum größten Teil wird der Abriegelungseffekt jedoch durch Elemente verursacht, die beim Konzept K 21 wegfielen. Auf allen drei Bildern ist anhand der fahrenden Züge zu erkennen, dass die eigentliche Bahnstrecke sich auf den untersten Teil des Bauwerks beschränkt. Die oberen Teile des Bauwerks beinhalten den auf einer höheren Ebene gelegenen Abstell- und Wartungsbahnhof sowie das Paketpostamt. Alle diese Elemente entfallen beim Konzept K 21. Es verbleibt dann der unterste Teil, der Bahndamm. Hinter dem Bahndamm würde sich auch beim Konzept K 21 (neues) Parkgelände erstrecken. Denkbar ist, dass man den einen oder anderen Durchlass unter dem Bahndamm baut, um die Parkteile beidseits der Bahnstrecke zukünftig zu verbinden. Die Bahnstrecke selbst kann man - gerade im Vergleich zur Straße - kaum als störend empfinden. Bahnstrecken werden von vielen Menschen als Bereicherung beim Spazierengehen, als Unterhaltung, als Tor zur weiten Welt angesehen.    
Beim Blick vom Schwanenplatztunnel der B14 (Stadtbahnhaltestelle Mineralbäder) auf den Unteren Schlossgarten und die Bahnlinie nach Bad Cannstatt wird deutlich, was für eine große optische Rolle die Gebäude, Stützmauern und Gleise spielen, die sich heute noch oberhalb dieser Bahnstrecke befinden. Denkt man sich all diese Bauten weg, wie dies bei K 21 möglich wird, macht der Untere Schlossgarten sofort einen ganz anderen Eindruck. Man wird dann über die Bahnstrecke hinweg auf die Hügel des Stuttgarter Kesselrands im Norden sehen. Hinter dem Bahndamm wird man die Bäume der neuen Parkanlage sehen. Und unter dem Bahndamm hindurch wird man zur neuen Parkanlage gelangen können.

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