Montag, 30. August 2010

Wie wichtig ist die Fern- und Regionalzuganbindung des Stuttgarter Flughafens?

Ein wichtiger Bestandteil des Projekts Stuttgart 21 ist ein 9,4 Kilometer langer Tunnel zwischen der Stuttgarter Innenstadt und dem Flughafen Stuttgart sowie eine neue Bahntrasse parallel zur Autobahn A 8 bis nach Wendlingen. Dieser Projektbestandteil hat zur Hauptsache das Ziel, den Stuttgarter Flughafen an den Fernzugverkehr sowie den Regionalzugverkehr anzubinden. Zu diesem Zweck müssen alle zwischen Stuttgart und Wendlingen - (Ulm/Tübingen) verkehrenden Züge aus der Tallage von Stuttgart auf die Filderebene hinauffahren, um anschließend wieder in das Neckartal bei Wendlingen hinabzufahren.

Die Anbindung des Flughafens muss unter diesen Umständen eine sehr bedeutende Sache sein. Denn wozu sonst würde man die Fernverkehrszüge aus dem Stuttgarter Talkessel erst um 155 Höhenmeter ansteigen lassen (ein für Fernzüge ungeheurer Höhenunterschied), um sie anschließend wieder um 130 Höhenmeter hinabfahren zu lassen? Und wozu sonst würde man fast die Hälfte der Baukosten von Stuttgart 21 allein für diese Maßnahme aufwenden? 



Wie oft fährt denn der durchschnittliche Baden-Württemberger zum Flughafen Stuttgart? Für eine grobe Abschätzung nehmen wir einfach einmal an, dass der Flughafen Stuttgart 10 Millionen Fluggäste pro Jahr abfertigt (im vergangenen Jahr hatte er etwas weniger). Nun muss man jedoch aufpassen. Die Flughäfen zählen die Passiere beim Abflug und bei der Landung. Somit wird ein Passagier im Normalfall zweimal gezählt (Wird am Flughafen von einem ins andere Flugzeug umgestiegen, wird ein Passagier auf einer Reise sogar viermal gezählt). Also erhalten wir bei der groben Abschätzung eine Passagierzahl von 5 Millionen Fluggästen pro Jahr für den Stuttgarter Flughafen. 

Nun fliegen einige Baden-Württemberger auch von Flughäfen außerhalb von Baden-Württemberg ab. Im Gegenzug fliegen jedoch auch Fluggäste zum Beispiel aus Bayern, aus dem Elsaß usw. von Stuttgart ab. Lassen wir diese Einflüsse einmal weg, weil sie sich fast ausgleichen. Baden-Württemberg hat eine Einwohnerzahl von ca. 10,7 Millionen. Nehmen wir der Einfachheit halber einmal 10 Millionen. Somit fliegt der Baden-Württemberger (die Baden-Württembergerin) im Durchschnitt einmal alle zwei Jahre.

Wie oft hingegen ist der durchschnittliche Baden-Württemberger innerhalb von Baden-Württemberg unterwegs, zur Arbeit, zur Schule, zum Studium, zu Veranstaltungen, zum Sport, zu Besuchen, zur Freizeit, in die Natur? Das kann jeder / jede an sich selbst feststellen. Ich glaube, man liegt nicht falsch, wenn man hier eine durchschnittliche Zahl von 200 bis 300 Fahrten (hin und zurück) pro Jahr ansetzt. Das Verhältnis zwischen den Fahrten zum Flughafen und den Fahrten innerhalb von Baden-Württemberg (ohne Flughafen) beträgt somit 1:400 bis 1:600.

Und jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Eine Bürgerbahn, wie wir sie wünschen, bemüht sich, in erster Linie diese letztgenannten Fahrten, die Fahrten der Mehrheit, die Mehrzahl der Fahrten abzudecken. Bei Stuttgart 21 verhält es sich genau umgekehrt. Hier werden Unsummen für die Fahrten einer Minderheit, für einen ganz kleinen Anteil aller Fahrten der Baden-Württemberger ausgegeben. Für gute Zugverbindungen im ganzen Land Baden-Württemberg zur Abdeckung der überwältigenden Mehrzahl der Fahrten ist unter diesen Umständen kein Geld mehr vorhanden.

Es wird immer wieder auffallend betont, wie wichtig die Anbindung zum Beispiel von Ulm per Fernverkehrszug an den Flughafen ist. Oder es wird darauf abgehoben, dass man zum Beispiel von Nürtingen mit Stuttgart 21 nur noch 10 Minuten zum Flughafen benötigt. Aber es wird verschwiegen, dass dies nur einen winzig kleinen Anteil der Gesamtfahrtwünsche in Baden-Württemberg abdeckt.

Eine weitere Ungereimtheit ergibt sich aus dem Umstand, dass die Hauptbahntrasse bei Stuttgart 21 am Flughafenbahnhof vorbeifährt. Um am Flughafenbahnhof anzuhalten, muss man aus dieser Trasse ausfädeln. Viele Züge werden zukünftig auf der Haupttrasse bleiben und nicht ausfädeln. Aber auch diese Züge müssen den energieintensiven Anstieg aus dem Stuttgarter Talkessel hoch auf die Fildern bewältigen und dann wieder ins Neckartal absteigen.

Wäre es unter diesen Umständen nicht besser, die Züge blieben zukünftig wie heute vom Stuttgarter Kopfbahnhof aus im Neckartal und führen erst hinter Esslingen oder bei Plochingen auf eine Neubaustrecke nach Ulm? (Dies ist kein Plädoyer für eine Neubaustrecke nach Ulm, wahrscheinlich wird diese Neubaustrecke genauso wenig kommen wie Stuttgart 21). Dann müssten die Züge nicht erst auf die Fildern hinaufkeuchen und dann wieder herabfahren. Und dann wäre auch z.B. Esslingen besser an den Bahnverkehr angebunden.

Fazit: Eine Fern- und Regionalzuganbindung des Stuttgarter Flughafens ist nicht so wichtig, dass sie die Milliardenkosten für Stuttgart 21 rechtfertigt. Die bestehende Anbindung des Flughafens Stuttgart über die S-Bahn ist ausreichend.                 

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